Meyers Windmühle Bardowick

Ein Beitrag von Annika Eßmann, Yvonne Onken und Maleen Junge

Meyers Windmühle – Ein Bardowicker Original

Bereits aus weiter Entfernung sind sie zu sehen: Emporragend über Bardowick, eine Gemeinde nördlich an die Hansestadt Lüneburg grenzend, weisen die rotierenden Mühlenflügel Besucherinnen und Besuchern von außerhalb den Weg zu einer der wenigen, von Wind angetriebenen Gewerbemühlen Deutschlands. Seit 1907 in Familienbesitz, versorgt die von Müllermeister Eckhard Meyer bewirtschaftete Mühle umliegende Bäckereien sowie Privatverbraucher mit nach Handwerkstradition hergestelltem Mehl vielfältiger Getreidesorten. Neben Mühlenführungen sowie dem Besuch des dazugehörigen Ladengeschäftes, welches ein umfangreiches Sortiment an biologisch erzeugten Waren sowie Futtermitteln und Gartenbedarf führt, lädt überdies das ebenfalls auf dem Hof ansässige Mühlencafé mit hausgemachten Kuchen und Torten zur Einkehr ein. Unabhängig davon, ob die Anreise per Fahrrad, per Auto oder mittels öffentlicher Verkehrsmittel erfolgt, Meyer’s Windmühle ist ein Ausflugsziel, das lohnt!

Die Windmühle

Schon vor Jahrhunderten prägten differente Arten von Mühlen das Landschaftsbild Deutschlands. Wind-, Wasser- und Schiffsmühlen fungierten bereits in der Römerzeit als unerlässliches Hilfsmittel in der Getreideverarbeitung und trugen maßgeblich dazu bei, Mehl als grundlegendes Nahrungsmittel in der Gesellschaft zu konstituieren. Das Müllerhandwerk, welches auch heute noch als anerkannter Ausbildungsberuf Gültigkeit besitzt, repräsentiert somit eine der ältesten Kulturtechniken des Menschen. Wenngleich sich an den grundlegenden Verarbeitungsprozessen innerhalb der Mühlen nicht viel verändert hat, sind die Mühlenbetriebe im Fortgang der Zeit zu hochmodernen Lebensmittelkonzernen herangewachsen. So verarbeitet eine Industriemühle hierzulande durchschnittlich 8,2 Millionen Tonnen Getreide pro Jahr. Eine immense Menge, verglichen mit den 500 Tonnen, die in der historischen Gallerieholländermühle von Eckhard Meyer jährlich aufbereitet werden. Begründet liegt diese Ungleichheit in der differenten Antriebsweise, denn während in der Industrie primär leistungsstarke Maschinerien zum Einsatz kommen, nutzt Müllermeister Meyer vorzugsweise Windenergie für den Antrieb seiner über 200 Jahre alten Mühle. Vermittels dieser Eigenschaft repräsentiert die Bardowicker Mühle eine von gegenwärtig zehn gewerblich genutzten Windmühlen Deutschlands und stellt allein deshalb schon ein lohnendes Ausflugsziel dar.

Die Funktions- und Bauweise von Windmühlen

Im Hinblick auf ihre technischen Abläufe haben sich Windmühlen im Verlauf der zurückliegenden Jahrhunderte zwar kontinuierlich weiterentwickelt, die grundlegende Funktionsweise ist jedoch bis heute die gleiche geblieben. So wird die durch Wind erzeugte Rotation der Flügel dazu genutzt, kinetische Energie in mechanische Energie zu verwandeln. Diese Energie setzt sodann den Antrieb des Mühlwerkes in Gang und ermöglicht mittels zahlreicher Mahlprozesse die fortlaufende Verarbeitung des Getreides. Während sich die Großbetriebe der heutigen Zeit vornehmlich darauf spezialisiert haben, das Korn für den menschlichen Verbrauch zu verarbeiten, nutzt Eckhard Meyer seine Mühle primär für die Herstellung von Futtermitteln, welche im hauseigenen Mühlenladen erworben werden können. Im Verlauf der Jahrhunderte wurden neben den technischen Abläufen in den Windmühlen auch deren Bauweisen weiterentwickelt, wodurch sich mit der Zeit verschiedene Mühlentypen etablieren konnten. Bei Meyer’s Windmühle handelt es sich um einen sogenannten Galerieholländer, welcher wiederum einem speziellen Typ der Holländerwindmühle entspricht. Letztere verfügt im Allgemeinen über eine drehbare Kappe. Mit deren Hilfe ist es möglich, den oberen Teil der Mühle in die jeweilige Windrichtung zu drehen, wodurch die vorhandene Windkraft optimal genutzt werden kann. Als Galerieholländer zeichnet sich die Bardowicker Mühle zudem dadurch aus, dass sie von einer Galerie umgeben ist, mit deren Hilfe die hoch liegenden Flügel des mehrgeschossigen Bauwerkes auch zu Fuß problemlos erreicht werden können. Wer sich den Aufbau und die technischen Abläufe einer Windmühle genauer ansehen möchte, hat die Möglichkeit, Meyer’s Windmühle bei laufendem Betrieb zu besichtigen. So bietet Müllermeister Eckhardt Meyer nach Voranmeldung das ganze Jahr über Führungen an. Hierbei werden Besucherinnen und Besuchern nicht nur Einblicke in die technischen Prozesse und geschichtlichen Hintergründe der Windmühle gewährt, sie erfahren ebenso interessante Informationen rund um das Müllerhandwerk und die Mühlensprache.

  • Meyers Mühle © Eßmann/Onken/Junge
    Meyers Mühle © Eßmann/Onken/Junge

Die Historie

Aufgrund ihrer Rarität und ihres traditionellen Charakters repräsentiert Meyer’s Mühle heutzutage ein wohlbekanntes Bauwerk. Doch ein Blick in die Historie der Windmühle zeigt, dass dessen Bau lange Zeit unter ungünstigen Bedingungen vonstattenging. So hatte die Bevölkerung der angrenzenden Hansestadt Lüneburg über Jahrhunderte hinweg ihre Abneigung gegen den Bau einer Windmühle im etwa zehn Kilometer entfernten Bardowick zum Ausdruck gebracht. Der Grund lag in der Befürchtung, dass eine weitere Mühle nahe der eigenen Stadtgrenzen einen zu großen Wettbewerb mit sich bringen würde. Weil Lüneburg im Besitz des geltenden Gewerberechts war, welches Städten die Befugnis erteilte, über die Ansiedlung von gewerblichen Betrieben im Umkreis von drei Meilen um die eigenen Stadtgrenzen herum zu bestimmen, konnte die Errichtung einer Windmühle in Bardowick nicht ohne die Zustimmung der Hansestadt erfolgen. So war es letztendlich nur durch besondere geschichtliche Umstände möglich, mit dem Bau von Meyer’s Windmühle zu beginnen. Grund war, dass die Gemeinde Bardowick, ebenso wie weite Teile des nordöstlichen Niedersachsens, zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter französischer Herrschaft stand. Das in der damaligen Situation geltende französische Gewerberecht gestattete die Ansiedlung gewerblicher Betriebe in Bardowick auch ohne die Zustimmung der Lüneburger Bevölkerung. Johann Friedrich Meyer nutzte die Gelegenheit und begann im Jahre 1812 mit der Errichtung einer Gallerieholländermühle. Erneuten Widerständen zum Trotz ließ er sich auch nach dem Ende der Franzosenzeit die behördliche Genehmigung für den Erhalt der Bardowicker Mühle zusichern. Nach zahlreichen Inhaberwechseln ging die Windmühle im Jahre 1907 schließlich in den Besitz von Familie Meyer über, welche sie auch heute noch in der vierten Generation betreibt. Im Verlauf der Jahre kam es fortwährend zu Erneuerungen an der Mühle. Als diese sich nach dem Zweiten Weltkrieg in einem schlechten Zustand befand, finanzielle Mittel für eine Grundsanierung jedoch fehlten, entschied sich der damalige Inhaber Georg Meyer, das Flügelsystem auf elektrischen Antrieb umzurüsten. So wurden im Jahre 1952 Flügelkreuz, Kappe, Windrose sowie Königswelle entfernt, sodass in den folgenden Jahrzehnten zwar auf der Basis eines elektrischen Antriebs weiter gemahlen werden konnte, das nun flügellose Bauwerk jedoch einen Teil seines historischen Charakters eingebüßt hatte. Zu Beginn der 1990er Jahre nahm der lang gehegte Wunsch der Wiederherstellung des Windantriebs langsam Gestalt an. Der damalige Mühlenbetreiber Manfred Meyer entwickelte in Kooperation mit der Gemeinde Bardowick ein entsprechendes Programm, welches nicht nur beabsichtigte, den Windantrieb wiederherzustellen, sondern ebenso vorsah, mittels überschüssiger Windenergie die Erzeugung von elektrischem Strom herbeizuführen. Die Umsetzung dieses kostspieligen Sanierungsvorhabens im Jahre 1994 war letztlich nur durch die Unterstützung des Bardowicker Mühlenvereins möglich, welcher nicht nur maßgeblich an der Finanzierung der damaligen Erneuerungsarbeiten beteiligt war, sondern mithilfe zahlreicher Unterstützer bis heute einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Meyer’s Windmühle leistet. Dank der Wiederherstellung des Windantriebs erstrahlt Meyer’s Windmühle heute wieder in historischem Glanz. Etwa ein Drittel des Getreides wird aktuell einzig durch die Nutzung von Windkraft gemahlen. Für die Verarbeitung des restlichen Bestandes wird zusätzlich der elektrische Antrieb genutzt. Auf Grund dieser Kombination von Wind- sowie elektrischer Energie kann in Meyer’s Windmühle ganzjährig, auch bei Windstille, gemahlen werden.

  • Zahnräderantrieb © Meyer
    Zahnräderantrieb © Meyer

Der Mühlenladen

Im Rahmen von vielerlei Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen an Meyer’s Windmühle entschied sich der Vater des heutigen Mühlenbesitzers Eckhard Meyer in den Jahren 1988 und 1989 für die Errichtung eines hauseigenen Mühlenladens. Die Zielsetzung lag diesbezüglich in dem schrittweisen Ausbau der Direktvermarktung hauseigener Produkte. Doch die kontinuierliche Erweiterung des direkt an die Windmühle angrenzenden Verkaufsraumes trug entscheidend dazu bei, dass heutzutage nicht nur die Möglichkeit besteht, eigenhändig in der Mühle hergestellte Erzeugnisse zu erwerben, sondern zugleich weitere Produkte für Mensch und Tier zu kaufen sind.  Auf 200 Quadratmetern Verkaufsfläche bietet Müllermeister Meyer der Kundin beziehungsweise dem Kunden neben einer umfangreichen Auswahl an Gartenbedarf und Futtermitteln für Haus- sowie Nutztiere ebenfalls ein Vollsortiment an Naturkostprodukten: Backwaren, Kosmetika, Molkereiprodukte, Tiefkühlware, frisches Obst- und Gemüse – etwa 1700 verschiedene Produkte sind von Montag bis Samstag von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr in Meyer’s Mühlenladen erhältlich.

  • Mühlenladen © Meyer
    Mühlenladen © Meyer

Das Mühlencafé

Im Jahr 2005 keimte bei Eckhard Meyer und seiner Lebensgefährtin Ilka der Wunsch, in direkter Nachbarschaft zu Meyer’s Windmühle ein Café zu errichten. Darin sollte das hauseigene Mehl zu frischen Backwaren, im Speziellen Kuchen und Torten, verarbeitet werden, die sodann vor Ort erworben beziehungsweise verzehrt werden können. Als ein Bekannter ihnen ein nicht mehr genutztes Fachwerkhaus anbot, stellte dies den ersten Schritt zur Wunscherfüllung dar. Eckhard Meyer und seine Lebensgefährtin trugen das Haus aus dem 19. Jahrhundert in Handarbeit ab und lagerten es in seinen einzelnen Bestandteilen zunächst für sechs Jahre ein. 2011 erfolgte im Garten von Meyer’s Windmühle schließlich die Rekonstruktion des Bauwerkes. Der originalgetreue Wiederaufbau wurde im Jahr 2012 fertiggestellt. Heutzutage bietet das 150 m² Quadratmeter große Fachwerkhaus in seinem Inneren auf zwei Etagen 70 Sitzplätze. Im Sommer werden diese von 80 weiteren Plätzen auf der großzügigen Terrasse komplettiert. Das Ziel: Regionale, selbstgemachte Produkte und Liebe zum Detail sollen das Café zu einem Wohlfühlort für Jedermann machen. Den Mittelpunkt bildet dabei die weitläufige Torten- und Kuchentheke, welche einerseits klassische Backwerke wie Käsekuchen anbietet, gleichermaßen jedoch ebenso mit ausgefallenen Torten wie der schwedischen Johannisbeer-Baiser Torte aufwartet.  Für die Sortenvielfalt sowie die Wahrung höchster Qualität sind drei festangestellte Konditorinnen zuständig. Auch an junge Besucherinnen und Besucher ist in Meyer’s Mühlencafé gedacht. So verfügt das Café neben einer Spielecke und Kleintieren im Außenbereich über kindgerechte Speisen. Für die Allerkleinsten steht außerdem ein Wickelraum zur Verfügung. Zudem ist das Café barrierefrei, sodass sowohl Kinderwagen als auch mobilitätseingeschränkte Besucherinnen und Besucher uneingeschränkten Zugang haben. Für Hunde steht eine Wasserstation bereit. Vor allem am Wochenende herrscht in Meyer’s Mühlencafé Hochbetrieb. Reservierungen sowie Außer-Haus-Verkauf sind an Sonn- und Feiertagen deshalb nicht möglich. An diesen Tagen besitzt das alte Müllersprichwort „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ Gültigkeit. So sorgen an den Wochenenden bis zu sieben Servicekräfte für das Wohlergehen der Gäste. Dabei erstreckt sich das Einzugsgebiet der Besucherinnen und Besucher bis auf das etwa 50 Kilometer entfernt liegende Hamburg.

Besondere Veranstaltungen

Alljährlich am Pfingstmontag finden zwischen 2000 und 5000 Gäste ihren Weg zu Meyer’s Windmühle. Zu dieser Zeit findet das sogenannte Mühlenfest statt, welches von Müllermeister Eckhard Meyer sowie dem Windmühlenverein Bardowick e. V. ausgerichtet wird. Neben Aktionen wie Pony reiten und Karussell fahren ist Müllermeister Meyer besonders darum bemüht, Besucherinnen und Besuchern mittels kostenlosen Mühlenführungen die Tradition seines Handwerkes und die seiner Gallerieholländermühle näher zu bringen. Zudem wird ausschließlich an diesem Tag das 2005 erbaute Backhaus mit Holzbackofen in Betrieb genommen, in welchem aus dem Mehl der benachbarten Mühle Butterkuchen sowie Mühlenbrot gebacken werden. Für das leibliche Wohl sorgen außerdem das Mühlencafé sowie der Bardowicker Mühlenverein e. V.

  • Backhaus ©Eßmann/ Onken/Junge
    Backhaus ©Eßmann/ Onken/Junge

Meyer’s Windmühle – Ein Erfolgsrezept

Die positive Resonanz sowie die kontinuierliche Erweiterung des Betriebes weisen den Werdegang von Meyer’s Windmühle zweifellos als Erfolgsgeschichte aus. Doch was bedingt den Erfolg des Unternehmens? Ein entscheidender Faktor hierfür ist die Kombination der verschiedenen Elemente, welche Meyer’s Windmühle zu einem außergewöhnlichen Gesamterlebnis machen. So haben Besucherinnen und Besucher nicht nur die Möglichkeit, die über 200 Jahre alte historische Mühle zu besichtigen, sondern können darüber hinaus auch das vor Ort hergestellte Mehl im angrenzenden Mühlenladen erwerben oder direkt in Form der handgefertigten Backwaren im Mühlencafé verzehren. Außerdem zeichnet sich der gesamte Betrieb durch ein hohes Maß an Transparenz und Regionalität aus. Sämtliche im Café angebotenen Produkte werden aus hauseigenem Mehl hergestellt, welches wiederum aus dem Korn der regional ansässigen Bauern gewonnen wird. Zudem wird insbesondere im Mühlencafé viel Wert auf faire Produktionsbedingungen gelegt. So bietet Familie Meyer ausschließlich Bio-Kaffee an, welcher von Anbietern aus dem norddeutschen Raum fair gehandelt wird. Auch die übrigen Getränke haben einen regionalen Bezug. Insgesamt stellt Meyer’s Windmühle somit ein Gesamterlebnis dar, in welchem historischer Glanz, Regionalität und Transparenz aufeinandertreffen. All dies bedingt das Erfolgsrezept des Betriebes und macht die Bardowicker Mühle zu einem lohnenden Ausflugsziel.

  • ©Eßmann/Onken/Junge
    ©Eßmann/Onken/Junge

Anreise

Meyer’s Windmühle befindet sich im Norden von Bardowick in der Mühlenstraße 38, gut zu sehen u. a. auch von der Bundesstraße B4, etwa sieben Kilometer nördlich der Hansestadt Lüneburg. Mit dem Auto sind es circa 15 Minuten Fahrtzeit. Für Parkmöglichkeiten ist direkt vor der Windmühle ausreichend gesorgt. Auch eine Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist möglich. Ab dem zentralen Busbahnhof in Lüneburg verkehrt Bus 5002, der nach einer Fahrzeit von 30 Minuten die Haltestelle Bardowick/Wallstraße erreicht. Von dort sind es fünf Minuten Fußweg bis zu Meyer’s Windmühle. Ganz besonders zu empfehlen ist die Anreise mit dem Fahrrad. Auf dem Treidelpfad entlang des Flusses Ilmenau erreichen Besucherinnen und Besucher nach knapp 10 Kilometern Bardowick.

 


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