Der Fall ViO

Ein Beitrag von Jan-Alexander Krause

Exportschlager aus dem Lüneburger Untergrund

Die Erde, der blaue Planet – etwa 70 % der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Doch in den Meeren und Ozeanen fließt Salzwasser. Nur 2,5 % der weltweiten Wasservorräte bestehen aus Süßwasser und Großteile davon sind unzugänglich, weil sie beispielsweise in gefrorener Form (als Gletscher) Teile der Arktis und Antarktis ausmachen. Lebenswichtiges Trinkwasser ist somit eine begrenzte Ressource, dessen Nachfrage stetig wächst; und mit ihr auch der wirtschaftliche Stellenwert. Glücklich dürfen sich jene Regionen schätzen, die über reichlich Süßwasser verfügen, denn weltweit ist der Rohstoff sehr ungleichmäßig verteilt. Nutzungskonkurrenzen zwischen Zivilbevölkerung, Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Naturschutz gehören zum Alltag und machen Wasser zu einem hart umkämpften Gut. Unlängst führen auch hierzulande die Dürre zur Sommerzeit sowie die Verringerung des Niederschlags über das gesamte Jahr zur Verstärkung der Spannungen rund um den Wasserhaushalt. Ein prominentes Beispiel liefert der Landkreis Lüneburg. Hier wird hochwertiges Tiefengrundwasser von Coca-Cola gefördert und vertrieben. Als amtlich anerkanntes Mineralwasser trägt es den Namen ViO, wird in TV-Spots beworben und erfreut sich größter Beliebtheit. Doch bei den Bürgerinnen und Bürgern regt sich Widerstand, denn das, was Coca-Cola da im großen Maßstab kommerzialisiert, fließt auch durch die Leitungen ihrer privaten Haushalte – nur, wie lange noch? Für die Lüneburger*innen stellt sich die Frage nach der Endlichkeit ihres Grundwassers. Welche Entnahmemengen sind unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit vertretbar? Wie wirkt sich die Bewirtschaftung auf die Qualität des Grundwassers aus; und welche Effekte haben die Entnahmen für das anliegende Ökosystem?

Abgepackte ViO Mineralwasser Flaschen © Krause
Abgepackte ViO Mineralwasser Flaschen © Krause

Eine Stadt und ihre Schätze

Die Stadt Lüneburg ist besonders für eine ihrer geologisch bedingten Merkmale bekannt: Den Salzspiegel unterhalb der westlichen Altstadt. Dieser wurde bereits im Mittelalter intensiv für die Salzproduktion genutzt, sodass Lüneburg zeitweise das Handelsmonopol für das ‚weiße Gold‘ im norddeutschen Raum besetzte. Das Salz verhalf der Stadt damals zur Mitgliedschaft im Städtebund der Hanse und sorgte für anhaltenden Ruhm und Reichtum. Doch seit 1980 ist der Betrieb der Lüneburger Saline Geschichte; und gegenwärtig ist es ein anderer Rohstoff aus dem Untergrund, der sich zu einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor entwickelt: Abgefüllt in Flaschen und etikettiert mit dem Markennamen ViO, ist es ein Mineralwasser, das aus 200 Metern Tiefe gefördert und deutschlandweit durch Coca-Cola vertrieben wird.

Mit Erfolg – nachdem Coca-Cola den Standort Lüneburg im Jahr 1977 für eine Dosenabfüllfabrik des bekannten Softdrinks auswählte, erfolgte 2007 die Neuausrichtung mit ViO, dem Wasser aus Lüneburg. Zum Mineralwasser – wahlweise als Still, Medium oder Spritzig erhältlich – gesellten sich schnell weitere Produktlinien wie die ViO Schorlen und die ViO Bio LiMO. Durch die Erschließung eines zweiten Brunnens im Jahr 2015 werden mittlerweile jährlich 350.000 Kubikmeter Tiefengrundwasser durch Coca-Cola gefördert. Inzwischen hat die ViO-Markenfamilie alle übrigen Softdrinks aus dem Werk im Lüneburger Industriegebiet Goseburg verdrängt und beschäftigt hier um die 200 Mitarbeiter*innen. Der dritte Brunnen zu einem weiteren Grundwasserkörper (Ilmenau Lockergestein links) soll nun die Produktionsmengen erhöhen und damit den Standort sowie die Arbeitsplätze sichern.

  • Coca-Cola Abfüllfabrik in Lüneburg © Krause
    Coca-Cola Abfüllfabrik in Lüneburg © Krause

Zusammen mit Brunnen Nr. 3 wurde eine zusätzliche Fördermenge von 350.000 Kubikmeter Wasser beim Landkreis Lüneburg beantragt, sodass der Konzern künftig bis zu 700.000 Kubikmeter Tiefengrundwasser verarbeiten könnte. Zum Vergleich: Die derzeit von Coca-Cola geförderten 350.000 Kubikmeter entsprechen einer Menge von rund 1,6 % des Wassers, das dem Grundwasserkörper (Ilmenau Lockergestein rechts) jährlich entnommen werden darf. Das erscheint nicht sonderlich viel. Dieselbe Menge Wasser entspricht jedoch ebenso dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 7.610 Bürger*innen und könnte demnach den Bedarf einer ganzen Gemeinde decken.

Die Bürgerinnen und Bürger Lüneburgs bekommen das gefragte Wasser übrigens schon seit langem direkt aus dem Hahn, denn auch die örtliche Trinkwasserversorgung speist sich hauptsächlich aus den beiden Ilmenau Lockergesteinen (links und rechts), sodass sich Lüneburg und der Global Player dieselben Quellen teilen. Im Folgenden soll nun 1.) dargestellt werden, wie Tiefengrundwasser entsteht, um 2.) zu erläutern, was ViO und das Lüneburger Leitungswasser so einzigartig und wertvoll macht. Daran anschließend soll 3.) anhand des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) die Frage geklärt werden, wem das Wasser eigentlich gehört. Außerdem soll 4.) ein Blick über die regionalen Strukturen hinausgewagt werden, um schließlich einige Zielsetzungen für den künftigen Umgang mit dem kostbaren Gut festzuhalten.

Der Wasserkreislauf

„Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.“ (Europäische Union 2000)

Beim Tiefengrundwasser in den Ilmenau Lockergesteinen handelt es sich um fossiles (auch 1.000-jähriges) Wasser, welches über einen langen Zeitraum durch unterschiedliche Bodenschichten hindurch versickert ist. Währenddessen hat es einen Prozess der natürlichen Filterung erfahren, der allein mehrere hundert Jahre in Anspruch nehmen kann. Das Wasser ist dabei immer in Bewegung; und auch die Grundwasserkörper in rund 200 Metern Tiefe, in denen sich das Wasser sammelt, sind keine hermetisch abgeschlossenen (Wasser-)Blasen. Als Teil des natürlichen Wasserkreislaufs bewegt sich das Tiefengrundwasser langsam – mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 Metern im Jahr – in Richtung Elbe. Die besondere Reinheit und Mineralisierung als Kennzeichen der Qualität sind dabei Eigenschaften, die das Wasser erst auf dem Weg durch den Untergrund gewinnt.

Als treibende Kraft lässt sich die Sonne als Motor des Wasserkreislaufs betrachten. Dank ihrer Wärme sorgt sie für die Verdunstung von Wasser und erzeugt vor allem bei oberflächigen Gewässern große Mengen an Wasserdampf, die in die Atmosphäre aufsteigen. Dort kondensiert das gasförmige Wasser überwiegend noch innerhalb der Troposphäre (in einer Höhe bis maximal 15 Kilometer über Normalnull), um sich hier in Form von Wolken am Himmel zu sammeln. Den Wolken kommt eine Mittler-Funktion zu, denn versetzt durch Winde sorgen sie anderenorts für Niederschläge. Über Land sammelt sich der Niederschlag zu großen Teilen in Bächen oder Flüssen und gelangt auf diesem Weg wieder zurück ins Meer. Nur ein kleiner Teil versickert im Boden und trägt damit zur Regeneration des Grundwassers bei, auf der auch die Trinkwasserversorgung basiert.

 Ein gefährdetes Gut

Bedingt durch die geologischen Verhältnisse bestehen oftmals mehrere Grundwasserstockwerke übereinander. In ihnen fließt das Grundwasser entlang von meist sandigen oder kiesigen Grundwasserleitern, die in der Regel in oberirdische Gewässer münden. Tonige Bodenschichten fungieren hingegen als Grundwasserhemmer und lassen keine oder nur geringe Grundwasserbewegungen zu. Da das oberflächennahe Grundwasser durch Schadstoffeinträge aus der Atmosphäre oder der Landwirtschaft (Dünge- und Pflanzenschutzmittel) belastet sein kann, kommt den hemmenden Schichten eine schützende Funktion zu. Ohne Bodenschichten mit geringer Durchlässigkeit, können Schadstoffe leichter ins Grundwasser einwandern und damit auch für tiefgelegene Grundwasserkörper zur Bedrohung werden. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) schreibt hierzu: „Die allgemein zu beobachtende Versauerung der Gewässer macht dort, wo eine Pufferung durch basische Gesteine fehlt, auch vor dem Grundwasser nicht halt und äußert sich in steigenden Aluminium- und Schwermetallgehalten.”

Die Gefahr der Verunreinigung des Grundwassers kann außerdem durch die Absenkung des Grundwasserspiegels verstärkt werden. Eine Folge, die sich insbesondere aus der Überbewirtschaftung des oberflächennahen Grundwassers ergibt. Ergänzend dürften die Hitze- und Trockenperioden der vergangenen Jahre zu einer Verminderung der Grundwasserneubildung beigetragen haben, die gleichfalls zu einer Grundwasserabsenkung führt. Die regelmäßige Überprüfung des Grundwasserdargebots, also der „Summe aller positiven Glieder der Wasserbilanz für einen Grundwasserabschnitt“, ist daher für einen nachhaltigen Wasserhaushalt von großer Bedeutung. Um die Trinkwasserversorgung nicht zu gefährden, sollten die ökologisch vertretbaren Entnahmemengen stetig und gebietsweise ermittelt werden. Insbesondere für das fossile Tiefengrundwasser gilt es zu bedenken: Ist es erst einmal ausgebeutet, setzt dessen Neubildung ausreichende Niederschläge über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten voraus.

Mineralwasser

Neben der besonderen Reinheit verfügt das Tiefengrundwasser oftmals über eine wertvolle Mineralisierung, die es beim Passieren von unterschiedlichen Erd- und Gesteinsschichten erhält. Geologe Sebastian Rau erklärt: „Größere Bestandteile, die das Wasser zunächst mit sich führt, werden durch winzige Gesteinsporen und Kanäle im Erdinneren mechanisch abfiltriert wie bei einem Kaffeefilter. Kleinere Stoffe bleiben im Gestein hängen, verteilen sich oder lagern sich zum Beispiel aufgrund elektrischer Kräfte an den Gesteinen an“. Gleichzeitig sorgt der langwierige Prozess der Versickerung für eine Anreicherung mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Kohlensäure, die das Wasser aus den Gesteinen herauslöst. Die Zusammensetzung und der Grad der Mineralisierung werden dabei von der Bodenbeschaffenheit, der Fließgeschwindigkeit und der Temperatur bestimmt. Die Genese eines Mineralwassers ist somit stark an die regionalen geologischen Bedingungen geknüpft, sodass jedes der circa 500 in Deutschland geführten Mineralwässer einzigartig ist.

Für dessen Förderung gelten strenge Auflagen: „Mineralwasser ist das einzige Lebensmittel, welches staatlich anerkannt ist.” So besagt die Mineral- und Tafelwasser-Verordnung unter anderem, dass ein Mineralwasser direkt vor Ort abgefüllt werden muss und seine ursprüngliche Reinheit durch keinerlei Zusätze beeinflusst werden darf. Anders als beim Quell- oder Tafelwasser darf sich ein gehandeltes Mineralwasser somit nicht aus verschiedenen Quellen speisen. Es entstammt immer aus einem spezifischen Grundwasserkörper, weshalb auch der Mineralien-Mix des Wassers gleich bleibt. Die geologischen Verhältnisse bilden sich somit unverfälscht im Mineralwasser ab und prägen dabei auch dessen geschmacklichen Charakter.

  • ViO Mineralwasser Flaschen im Supermarkt-Regal © Krause
    ViO Mineralwasser Flaschen im Supermarkt-Regal © Krause

Eine Frage des Geschmacks

Mineralwässer lassen sich kategorisch unterscheiden. Ausschlaggebend ist hierfür die individuelle Mineralisierung, welche sich wiederum spürbar auf den Geschmack des Wassers auswirkt. Für die Unterscheidung bieten sich drei wesentliche Kategorien an:

  • Hydrogencarbonatwässer weisen häufig höhere Anteile von Calcium und Magnesium auf und treten vorrangig in Regionen mit viel Vulkangestein auf – etwa im Deutschen Mittelgebirge, der Schwäbischen Alb oder dem Schwarzwald. Mineralwässer aus diesen Regionen zeichnen sich durch einen „natürlichen und neutralen“ Geschmack aus.
  • Sulfatwässer sind in Norddeutschland sowie auch in den Mittelgebirgen zu finden. Geologisches Merkmal sind verstärkte Ablagerungen von Gips und Anhydrit (Calciumsulfat), dessen erhöhte Konzentration dem Wasser eine süßliche bis leicht bittere Note verleiht.
  • Chloridwässer haben dagegen einen leicht salzigen Geschmack und entstehen in der Regel durch die Auslaugung von Salzgesteinen, die zu einer Anreicherung mit Natriumchlorid (gewöhnlichem Kochsalz) führen.
Mineralien ViO Still Gerolsteiner Naturell
Natrium 15 mg/l 17 mg/l
Chlorid 20 mg/l 15 mg/l
Calcium 51 mg/l 125 mg/l
Magnesium 5,3 mg/l 44 mg/l
Hydrogencarbonat 152 mg/l 577 mg/l
Sulfat 19 mg/l 24 mg/l

Tabelle 1: Mineraliengehalt ViO/Gerolsteiner

Das Etikett der ViO Mineralwasser Flasche © Krause
Das Etikett der ViO Mineralwasser Flasche © Krause

Wie steht es nun also um ViOs Mineralgehalt? Im Vergleich mit anderen Mineralwässern fällt auf, dass das Lüneburger Wasser grundsätzlich eine eher leichte Mineralisierung aufweist (s. Tabelle 1). Während Gerolsteiner Naturell einen für das Wasser aus der Eifel typisch erhöhten Hydrogencarbonat-Gehalt besitzt, weist ViO kein besonders herausstechendes Merkmal auf. Stattdessen lässt es sich einer vierten Kategorie, der leicht mineralisierten Mineralwässer, zuweisen. Solche finden sich beispielsweise im Allgäu sowie auch in der Norddeutschen Tiefebene, da der Untergrund hier vornehmlich durch Sand- und Kiesablagerungen geprägt ist. Dies trifft auch für den Landkreis Lüneburg zu, weshalb ViO sich durch einen weichen, milden und neutralen Geschmack auszeichnet.

Dies gilt im Übrigen auch für das Lüneburger Leitungswasser, welches sich sogar für die Zubereitung von Säuglingsnahrung eignet, da es neben der leichten Mineralisierung auch die strengen Grenzwerte für Trinkwasser deutlich unterschreitet (s. Tabelle 2). Durch den geringen Magnesium- und Calciumgehalt ist das Wasser mit einem Härtegrad von 5,1 zudem besonders weich und schont Haushaltsgeräte wie die Spülmaschine oder den Wasserkocher wegen des niedrigen Kalkgehaltes.

Mineralien Leitungswasser Grenzwerte (Säuglinge)
Sulfat 7,8 mg/l 240 mg/l
Natrium 14,7 mg/l 20 mg/l
Nitrat 0,3 mg/l 10 mg/l
Fluorid 0,06 mg/l 0,7 mg/l
Mangan <0,001 mg/l 0,05 mg/l
Nitrit <0,01 mg/l 0,02 mg/l
Arsen <0,0005 mg/l 0,005 mg/l
Uran <0,0001 mg/l 0,002 mg/l

Tabelle 2: Lüneburger Leitungswasser und Grenzwerte für die Ernährung von Säuglingen

Das ViO aus der Wasserleitung wird von den Bewohner*innen der Stadt und Region sehr geschätzt, denn es schont nicht nur die genannten Haushaltsgeräte, auch Absätze in Kaffeetassen, Teekannen etc. bilden sich kaum. Überdies mundet das mineralienarme Wasser offenkundig nicht nur den Lüneburger*innen. Jedenfalls ist es anders wohl nicht zu erklären, dass ViO inzwischen bundesweit bei Getränkeanbietern gekauft werden kann. Dies mag unter anderem an dem groß angelegten Vertrieb sowie an der Marktmacht Coca-Colas liegen – doch dies würde nichts nutzen, wenn die ViO-Flaschen mangels Nachfrage in den Regalen stehen blieben. Die Praxis lehrt, dass viele Menschen in Deutschland sich an einem Stück Lüneburg in der Flasche erfreuen und das hiesige Wasser zum bedeutendsten Lüneburger Marktprodukt machen – zumindest gemessen am Volumen.

Der städtische Trinkwasserversorger Purena hat das Wasserwerk Rote Bleiche zu der Aufgabe berufen, die bald 80.000 Bürger*innen Lüneburgs mit Trinkwasser zu versorgen. Hierfür wird das hochwertige Tiefengrundwasser über insgesamt 13 Brunnen besorgt und anschließend aufbereitet. Bezogen wird das sogenannte Rohwasser aus insgesamt fünf Grundwasserkörpern: Ilmenau Lockergestein links und rechts, Jeetzel Lockergestein links und rechts sowie Elbe Amt Neuhaus. Bevor allerdings das geförderte Wasser durch die Leitungen der Lüneburger Haushalte fließen kann, wird es von „überschüssigem Eisen, Mangan, Schwefelwasserstoff und natürlicher Kohlensäure“ getrennt.

Kommerzialisierung via ViO

Die Anforderungen an ein Mineralwasser erfüllt das Lüneburger Leitungswasser aufgrund der Vielzahl der Quellen zwar nicht, doch für die Bürger*innen Lüneburgs unterscheidet sich das Wasser aus dem eigenen Hahn dennoch vornehmlich nur im Preis von jenem in der ViO Flasche.

Auf einen Liter aus der Leitung kommt rein rechnerisch eine Gebühr von 0,133 Cent (sprich 1,33 €/m3), während der Liter ViO im Supermarkt durchschnittlich 77 Cent kostet. Der Ladenpreis entspricht somit beinahe dem 600-fachen gegenüber dem Wasser aus der Leitung. Kritisiert wird die Kommerzialisierung des Lüneburger Tiefengrundwassers insbesondere von der heimischen Bürgerinitiative Unser Wasser, die sich wirkmächtig gegen die Inbetriebnahme des dritten ViO-Brunnens positioniert. Auf ihrer Webseite heißt es: „Die industrielle Nutzung des kostbaren Tiefengrundwassers über lange Zeiträume für nicht nachhaltige Zwecke und zu einem sehr geringen Preis ist angesichts der Endlichkeit dieser Ressource nicht hinnehmbar.“

Proteste gegen die Inbetriebnahme des 3. ViO Brunnens © Krause
Proteste gegen die Inbetriebnahme des 3. ViO Brunnens © Krause

18 Cent – das ist der Preis, den Coca-Cola in Form des Wasserentnahmeentgelts für 1.000 Liter des fossilen Tiefengrundwassers zahlt. Diese Gebühr, im Volksmund auch Wasserpfennig genannt, wird auf Grundlage der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) von den Bundesländern bestimmt und erhoben. In Niedersachsen hat sich die Gebühr mit dem 1. Januar 2021 verdoppelt. Auf Grundwasserentnahmen entfallen hier derzeit 15 Cent pro Kubikmeter für die öffentliche Trinkwasserversorgung, 1,4 Cent pro Kubikmeter für die landwirtschaftliche Nutzung, 7,4 Cent pro Kubikmeter für die Kühlung von Industrieanlagen und 18 Cent pro Kubikmeter für sonstige Zwecke (einschließlich ViO/Coca-Cola).

Ziel der Wassergebührenpolitik ist die Schaffung eines monetären Anreizes gegen die Verschwendung und für die effiziente Nutzung der Wasserressourcen. Demnach wird durch die Bepreisung eine Lenkungswirkung erzeugt, indem die Kosten zu einem sparsamen Umgang motivieren. Zudem sieht die gesetzliche Zweckbindung durch die WRRL vor, dass alle Einnahmen im Sinne einer nachhaltigen Gewässerbewirtschaftung eingesetzt werden. Somit kommen die eingenommenen Gelder der Allgemeinheit zugute, indem sie in den Gewässerschutz oder die Wasserinfrastruktur fließen – und das trägt letztlich auch zur Sicherstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung bei.

Mit der Erhöhung der Gebühr dürfte Niedersachsen aktuell eine der höchsten Entnahme-Entgelte für Mineralwasserhersteller durchgesetzt haben. Spitzenreiter in der entsprechenden Kategorie (sonstige Zwecke) war in den letzten Jahren das Saarland mit 12 Cent pro Kubikmeter.[1] Durch die hiesige Verdopplung des Wasserpfennigs werden ab 2021 Mehreinnahmen von jährlich rund 48 Millionen Euro für die Landeskasse erwartet.[2] Konkret werden die Einkünfte hier auch für Maßnahmen des ‚Niedersächsischen Weges‘ eingesetzt. Unter dem Motto „Gut für Gesellschaft, Natur und Landwirtschaft“[3] sind in den nächsten Jahren notwendige Maßnahmen für den Erhalt und die Förderung von Natur- und Artenschutz vorgesehen. Die Unterstützung einer nachhaltigen Landwirtschaft steht dabei im Vordergrund.

Dass private Haushalte mit einer Gebühr von 15 Cent pro Kubikmeter Grundwasser nur drei Cent weniger zahlen als Weltkonzerne wie Coca-Cola – die das Wasser gewinnbringend verkaufen – könnte jedoch weiterhin für Unmut sorgen. Das Geschäft mit dem Wasser wird auch mit verdoppelter Entnahmegebühr lukrativ bleiben. Wenn jedoch eine Gebühr den Durst des Unternehmens nicht stillen kann, wie ist dann aber der schonende Umgang mit der wertvollen und begrenzten Ressource geregelt? Anders gefragt: Wem gehört das Wasser?

Wem gehört das Wasser?

In Deutschland regelt das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) die Nutzung und Bewirtschaftung von oberirdisch fließenden Gewässern sowie dem Grundwasser. „Zweck dieses Gesetzes ist es, durch eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts, als Lebensgrundlage des Menschen, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie als nutzbares Gut zu schützen.“ Das Gesetz verfolgt damit das Ziel, natürliche Wasservorkommen effizient und im

Sinne des Allgemeinwohls zu nutzen, ohne dabei eine Überbewirtschaftung zu riskieren. Dabei geht eindeutig aus dem WHG hervor, dass das Grundwasser (wie auch oberirdisch fließende Gewässer) in Deutschland Gemeingut sind. Es kann daher kein privater Eigentumsanspruch auf solche Gewässer gestellt werden – weder von Konzernen, noch von einzelnen Bürger*innen. Stattdessen steht das Wasser als Gemeingut prinzipiell allen frei zur Verfügung. Es bedarf jedoch einer behördlichen Genehmigung, sofern „die Nutzung über den Gemeingebrauch hinausgeht.“

Die Entnahme beziehungsweise das Zutagefördern des Grundwassers für den einfachen Haushalt oder den landwirtschaftlichen Hofbetrieb benötigt somit zunächst keiner Erlaubnis oder Bewilligung durch die örtliche Behörde. Die Absicht zur Durchführung eines Erdaufschlusses, der – wie zum Bau eines Brunnens – so tief in die Erde eindringt, dass er sich „unmittelbar oder mittelbar auf die Bewegung, die Höhe oder die Beschaffenheit des Grundwassers“ auswirken könnte, ist allerdings nach § 49 des WHG im Vorfeld bei der zuständigen Behörde anzuzeigen. Für gewerbliche Unternehmen gilt dagegen grundsätzlich, dass geplante Grundwasserentnahmen ein Antragsverfahren durchlaufen müssen und nur mit Erlaubnis und Bewilligung durch die Wasserbehörde erfolgen dürfen.

Ziele der Bewirtschaftung

Im Falle des dritten ViO-Brunnens durch den Coca-Cola-Konzern – und der beantragten Fördermenge von 350 Millionen Liter Tiefengrundwasser aus dem Ilmenau Lockergestein links – muss daher geprüft werden, ob die ökologischen Bedingungen dafür gegeben sind und das Wasser sicher gefördert werden kann. Als Gutachter prüft in diesem Fall der Geologe Frank Bärle vom NLWKN. Die Befürchtungen über mögliche oberirdische Absenkungen (hydraulische Fenster), die durch größere und dauerhafte Grundwasserentnahmen entstehen können, hat Bärle bereits ausgeschlossen. Demnach stabilisieren und stützen die flächigen und tragfähigen Tonschichten über dem Ilmenau Lockergestein den Boden, sodass auch bei einer Absenkung des Grundwasserspiegels nicht mit Effekten der oberflächigen Durchpausung zu rechnen sei.

Diagramm 1: Bilanz der Grundwasserentnahmen 2014-2019 im Landkreis Lüneburg © Krause
Diagramm 1: Bilanz der Grundwasserentnahmen 2014-2019 im Landkreis Lüneburg © Krause

Etwas unschärfer ist die Lage in Bezug auf die Neubildung des Grundwassers. Um die Entstehung von regionalem und saisonalem Wasserstress zu vermeiden, wird bei der Festlegung der Entnahmemengen grundsätzlich darauf geachtet, dass nicht mehr als 20 % des gesamten Wasserdargebots genutzt werden. Wird dieser Schwellenwert überschritten, können Umweltprobleme und die Behinderung der ökonomischen Entwicklung die Folge sein. Für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Grundwassers sollte zudem beachtet werden, dass die Menge an neugebildetem Grundwasser den entnommenen Teil wieder ausgleicht. Für den Landkreis Lüneburg wurde in der Vergangenheit die Entnahme von jährlich rund 40 Millionen Kubikmetern Grundwasser genehmigt (s. Diagramm 1). Mit Ausnahme des Jahres 2018 wurde die genehmigte Menge nicht überschritten, sodass die örtliche Grundwasserbilanz insgesamt positiv erscheint.

Aktuell wird jedoch kritisiert, dass die Zahlen zum Grundwasserdargebot auf veralteten Abschätzungen aus dem Jahr 2015 beruhen. Problematisiert wird dabei insbesondere die Neubildung des Grundwassers: „Längere Hitzeperioden im Frühjahr und Sommer, aber vor allem regenarme Winter reduzieren diese Neubildung drastisch.“ Daher lässt sich in Frage stellen, ob die damaligen Schätzungen nach einigen Jahren der Trockenheit noch als gültig zu betrachten sind. Neue Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme für den Zeitraum 2021-2027 werden gegenwärtig vom NLWKN erarbeitet. Die Aktualisierung der Pläne und Zielsetzungen dürfte letztlich auch darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang die Nutzung des dritten Brunnens für Coca-Cola bewilligt wird.

Für die ViO-Produktion gilt grundsätzlich: Die Ausweitung der Grundwasserentnahme kann erst erfolgen, wenn die Behörden alle Unterlagen geprüft und grünes Licht gegeben haben. Besteht die Gefahr der Übernutzung eines Grundwasserkörpers, kann der Antrag für die Entnahme zur Mineralwasser-Produktion abgelehnt werden – so wie es beispielsweise 2019 bei einem vergleichbaren Fall in Treuchtlingen (Bayern) geschehen ist. Darüber hinaus können auch genehmigte Entnahmemengen jederzeit durch die Untere Wasserbehörde des Kreises reduziert oder gänzlich widerrufen werden.

Der 3. Coca-Cola Brunnen in Lüneburg © Krause
Der 3. Coca-Cola Brunnen in Lüneburg © Krause

Insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel und die Erderwärmung wird eine regelmäßige Neubewertung des Grundwasserdargebots an Bedeutung gewinnen. Für Deutschland gilt insgesamt, dass generell kein Wasserstress besteht; und auch „die Grundwasserreserven im Lüneburger Untergrund [reichen] mengenmäßig laut Experten noch für Generationen.“ Die Angst vor einer Verknappung der vorhandenen Ressourcen für die öffentliche Trinkwassergewinnung sei daher aktuell unbegründet. Hinzukommt, dass die öffentliche Trinkwasserversorgung immer Vorrang gegenüber privatwirtschaftlichen Interessen hat. Dies geht bereits aus der Verfassung hervor. Sie besagt, dass „aus dem Grundrecht auf Leben und Gesundheit des Art. 2 Grundgesetz (GG) und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG ein Anspruch auf sichere, qualitativ angemessene Versorgung mit Trinkwasser als Bestandteil des zu sichernden Existenzminimums [folgt]“.

Wie viel Wasser (ver)braucht das Land?

Im Jahr 2019 haben Stadt und Landkreis Lüneburg 29 Millionen Kubikmeter Grundwasser gefördert (s. Diagramm 2). Davon gingen 12,6 Millionen Kubikmeter an die öffentliche Trinkwasserversorgung; 13,5 Millionen Kubikmeter dienten der Feldberegnung. Die übrigen 2,9 Millionen Kubikmeter wurden als Brauch- oder Kühlwasser verwendet – wozu auch die ViO Mineralwasser-Produktion zählt. Regional sind damit die Landwirtschaft und private Haushalte die Hauptfaktoren für den Wasserverbrauch. In Relation zum deutschlandweiten Wasserverbrauch ist diese Gewichtung allerdings nicht repräsentativ, wie der Vergleich zeigt (s. Diagramm 2 & 3).

Im Jahr 2013 nimmt die öffentliche Trinkwasserversorgung ganz Deutschlands nur knapp 3 % des gesamten Wasserdargebotes in Anspruch – die landwirtschaftliche Beregnung nur 0,2 % (s. Diagramm 3). Die mit Abstand größte Abnahme des Grundwassers entfällt auf das sogenannte Brauchwasser. Über 10 % des deutschlandweiten Grundwasserdargebotes werden 2013 für den industriellen Sektor verwendet – im Wesentlichen für den Einsatz zur Kühlung von konventionellen Kraftwerken. Hierbei wird das Wasser nach der Nutzung in öffentliche Gewässer geleitet.

Außerdem wird an Diagramm 3 sichtbar, dass die Menge des deutschlandweit genutzten Wassers den Schwellenwert von 20 % des potentiellen Wasserdargebotes nicht überschreitet. Über 80 % des Dargebotes bleiben unangetastet, sodass kein Wasserstress besteht. Der Verbrauch unterhalb des Stresswertes gelingt hierzulande seit dem Jahr 2002, sodass ein wichtiges Kriterium für den ressourcenschonenden Wasserhaushalt erfüllt ist. Insgesamt ist zu verzeichnen, dass sich der landesweite Wasserverbrauch in den vergangenen drei Dekaden deutlich reduziert hat.

Diagramm 2: Grundwasserentnahmen 2019 im Landkreis Lüneburg © Krause
Diagramm 2: Grundwasserentnahmen 2019 im Landkreis Lüneburg © Krause
Diagramm 3: Wasserdargebot und Wassernutzung in Deutschland 2013 © Krause
Diagramm 3: Wasserdargebot und Wassernutzung in Deutschland 2013 © Krause

Herausforderungen für die Infrastruktur

Dies zeigt sich auch bei den privaten Haushalten. Durchschnittlich liegt der Wasserverbrauch pro Person in Deutschland heute bei rund 121 Litern am Tag. Zum Vergleich: 1990 waren es noch 147 Liter. Der Rückgang ist insbesondere der Haustechnik (Spülmaschine, Waschmaschine etc.) zu verdanken, die zunehmend auf Wasser-Sparsamkeit getrimmt wurde. Das meiste Wasser wird heute für das Duschen und Baden sowie für die Toilettenspülung benötigt. Tatsächlich würde eine weitere Reduzierung des Wasserverbrauchs der Haushalte derzeit sogar zu Problemen innerhalb der Wasser-Infrastruktur führen, da ein Großteil der Leitungen für einen höheren Verbrauch ausgelegt ist. Probleme können sich zum einen daraus ergeben, dass Frischwasser zu lange in den Leitungen steht und es zu einer Verkeimung kommt. Zum anderen werden die Abwasserleitungen auf Grund ihrer Größe nicht mehr ausreichend durchspült. Schmutz und Fettreste können sich dadurch ansammeln und die Leitungen verstopfen. Entsprechende Reinigungen können nur unter sehr hohem Aufwand mit umfangreichen Spülungen (mit Trinkwasser) durchgeführt werden, was ggf. Einsparungen beim Haushaltsverbrauch zunichtemacht.

Wasserverbrauch im globalen Durchschnitt © Krause
Wasserverbrauch im globalen Durchschnitt © Krause

Probleme ergeben sich allerdings auch im umgekehrten Fall eines übermäßig hohen Wasserverbrauchs. Steigt die Wassernachfrage stark an, kann das Leitungssystem so sehr beansprucht werden, dass der Druck in den Leitungen abnimmt. Dies geschah beispielsweise 2020 an einem sonnigen Augustwochenende in Adendorf (Landkreis Lüneburg). Wegen der Gartenbewässerung sowie auch der Befüllung von Planschbecken und Pools stieg der Wasserverbrauch hier zeitweise um bis zu 40 % gegenüber dem Durchschnitt. Problematisch wurde dies insbesondere für die Pumpen des ansässigen Wasserwerks, die wegen der gesteigerten Nachfrage an ihre Grenzen getrieben wurden. Die langfristige Gewährleistung der Wasserversorgung ist somit auch eine technische Frage, bei der es auf die Abstimmung zwischen dem Wasserverbrauch und der Infrastruktur des Leitungssystems ankommt. Außerdem sei an dieser Stelle noch erwähnt: Die Nutzung des fossilen und begrenzten Tiefengrundwassers zur Befüllung des Pools über die hauseigene Wasserleitung sollte spätestens nach der Lektüre dieses Beitrags gründlich überdacht werden.

Die Landwirtschaft im Dilemma

Für den landwirtschaftlichen Betrieb wird in Zukunft ein wachsender Wasserbedarf prognostiziert. Das Wasser zur Bewässerung der Felder wird in der Regel über eigene Brunnen besorgt, die mit einer Tiefe von rund 80 Metern auf höher gelegene Grundwasserstockwerke zugreifen. Ulrich Ostermann, Geschäftsführer des Kreisverbands der Wasser- und Bodenverbände Uelzen, spricht konkret von 25 % mehr Wasser, das künftig in den Kreisen Lüneburg und Uelzen für die Landwirtschaft benötigt wird. Verfügbar sind gemäß der ökologischen Kriterien jedoch maximal nur weitere 10 %. Werden sie überschritten, ist stellenweise mit Grundwasserabsenkungen zu rechnen, die sich negativ auf die Tier- und Pflanzenwelt einzelner Landstriche auswirken könnten. Damit steckt die Landwirtschaft in einem Dilemma. Ostermann kündigt an: „Die Wassermengen, die wir bis 2040 prognostisch benötigen, sind weder aus dem Elbe-Seitenkanal noch aus dem Grundwasser zu holen.“ Für die Überwindung des Wassermangels in der Landwirtschaft sind demnach neue Ideen für effektivere Bewässerungsmethoden vonnöten. Ansätze finden sich etwa in der Tröpfchenbewässerung, bei der Schläuche zur Bewässerung auf oder unter der Erde verlegt werden. Anders als bei der Beregnung geht hierbei kaum (bzw. unter der Erde gar kein) Wasser durch Verdunstung verloren, da es in direkter Nähe zu den Wurzeln ankommt. Sinnvoll ist diese Bewässerungsform allerdings nur bei Dauerkulturen, nicht im regulären Ackerbau, bei dem regelmäßig gepflügt und geeggt wird. Vielversprechend erscheinen auch Kooperationen mit Industrie und Energieversorgern, die gebrauchtes Kühl- oder Produktionswasser nach der Nutzung für die Landwirtschaft zur Verfügung stellen, anstatt es in fließende Gewässer abzuleiten. „Unser Plan ist es darum, dutzende Wasserspeicher im Lüneburger Raum zu bauen – mit vielleicht 10.000 bis 20.000 Kubikmetern Wasser für den einzelnen Landwirt bis hin zu einer Million Kubikmetern – je nachdem, wo Wasser anfällt, das man speichern kann.“ – so Ostermann.

Zumindest auf regionaler Ebene kommen somit auch in einem wasserreichen Land wie Deutschland Tendenzen der Verknappung zum Vorschein, die sich langfristig noch verstärken werden. Die Entstehung von Konkurrenzen um das in jeder Hinsicht existenzielle Gut sind eine Folge, die sich weltweit bereits vielerorts ereignet und zunimmt – mit zum Teil schwerwiegenden Auswirkungen für das Land und die Bevölkerung.

Ein knappes Gut

Aus globaler Perspektive ist zu beobachten, dass die Verknappung von Süßwasserressourcen fortschreitet. Gründe hierfür sind einerseits das Bevölkerungswachstum und höhere Lebensstandards, die parallel zu ihren Entwicklungen einen Anstieg des Wasserbedarfs mit sich bringen. Andererseits ist die Qualität des Trinkwassers durch Verschmutzung und Übernutzung gefährdet. Durch die Abwässer von Industrie und privaten Haushalten sowie durch Pestizid-Einträge aus der Landwirtschaft und den vielen weiteren menschlich bedingten Einwirkungen werden Grundwasser und Oberflächengewässer gleichermaßen zunehmend belastet. Hinzukommt, dass steigende Meeresspiegel für die Versalzung küstennaher Grundwasserkörper sorgen, während andere klimabedingte Katastrophen wie Dürren und Überschwemmungen die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser bedrohen. Neben dem Zugang zu ausreichend Trinkwasser für die Grundversorgung ist dabei nicht zu vergessen, dass weitere Wasserressourcen für beispielsweise die Befriedigung von sanitären Bedürfnissen erforderlich sind.

Wasserknappheit weltweit © Krause
Wasserknappheit weltweit © Krause

Eigentlich würde das global erschließbare Süßwasser – also „Regenfälle, erneuerbare und nicht-erneuerbare Grundwasservorkommen sowie Oberflächengewässer (Flüsse und Seen)“ – ausreichen, um die Bevölkerung der Erde mit genügend Trinkwasser zu versorgen. Doch die Wasservorkommen sind sehr ungleich verteilt. Vielerorts herrscht eine physische Knappheit; das heißt die schiere Abwesenheit von ausreichend Trinkwasser. Von einer ökonomischen Knappheit wird hingegen gesprochen, wenn ein Land oder eine Gemeinde über genügend Wasserbestände verfügt, diese jedoch aus „finanziellen, institutionellen oder politischen Gründen“ blockiert. Dies gilt auch dann, wenn das Wasser aus dem Mangel an Mitteln oder Know-how nicht erschlossen werden kann.

Um ein politisches Zeichen gegen jegliche Formen der Verknappung von Wasser zu setzen, haben die Vereinten Nationen im Jahr 2010 den Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht festgeschrieben. Einklagen lässt sich diese Rechtsprechung jedoch nicht, sodass die Lage für viele der von Wasserknappheit betroffenen Länder unverändert bleibt. Die weltweite Sicherstellung einer angemessenen Trinkwasserversorgung ist daher eine der dringendsten Aufgaben und größten Herausforderungen unserer Zeit.

Schlussfolgerungen

Bereits der Blick auf den kleinen Landkreis Lüneburg offenbart, dass die Sicherstellung einer ausreichenden und flächendeckenden Trinkwasserversorgung die disziplinierte Umsetzung eines nachhaltigen Ressourcenmanagements erfordert. In diesem Zusammenhang ist es einleuchtend, dass Wasser ein Allgemeingut sein muss, welches nicht der freien/privaten Marktwirtschaft überlassen werden kann. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie bringt es auf den Punkt: „Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.“ Es bedarf daher „der staatlichen Steuerung, um auch Mittellosen den Zugang zu Wasser zu ermöglichen und die vom Wasser abhängige Natur zu bewahren.“ Ein nachhaltiger Wasserhaushalt erfordert somit auch weiterhin die Unterstützung durch finanzielle Mittel und bedarf politischer Entscheidungen. In diesem Sinne plädiert beispielsweise Anne-Barbara Walter (2021) für eine überregionale, nationale Strategie, um die Herausforderungen der Wasserversorgung zu bewältigen. Dabei gelte es, auch die rechtlichen Reglementierungen des Wasserhaushalts weiter zu schärfen.

Auf nationaler Ebene hat das Bundesumweltministerium im Jahr 2018 gemeinsam mit dem Umweltbundesamt und einigen Interessengruppen einen Wasserdialog initiiert, um absehbare Herausforderungen zu fokussieren und einen Umgang im Sinne eines dauerhaften Gemeinwohls zu erzielen. Zu den Maßnahmen zählen unter anderem Investitionen in die Infrastruktur der Wasserversorgung, um deren Resilienz zu stärken. Wie bereits geschildert, hat sich der Wasserverbrauch in den vergangenen Dekaden einerseits verringert; andererseits kommt es – etwa bedingt durch das Wetter – zu einer Dynamisierung der Nachfrage, sodass sich insbesondere an das Leitungssystem von Frisch- und Abwasser neue Anforderungen stellen.

In Bezug auf die Förderung von Grundwasser ist gemäß des Wasserhaushaltsgesetzes darauf zu achten, dass Wasserentnahmen durch ein stetiges Monitoring des Grundwasserdargebotes zu begleiten sind. Nur so kann eine nachhaltige Bewirtschaftung der Grundwasserkörper gewährleistet werden, um anliegende Ökosysteme zu erhalten und die Beständigkeit der Wasserressourcen zu sichern. Grundsätzlich gilt: Da es sich bei Wasser um ein Allgemeingut handelt, sollte bei Konflikten und Nutzungskonkurrenzen der Dialog unter den verschiedenen Interessengruppen gefördert werden. Die von der Verfassung vorgegebene Vorrangstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung ist dabei klarzustellen.

Abgepackte ViO Mineralwasser Flaschen © Krause
Abgepackte ViO Mineralwasser Flaschen © Krause

Für den Fall des dritten ViO-Brunnens lässt sich abschließend festhalten, dass auch hier maßgeblich die Aspekte der Nachhaltigkeit über die Erlaubnis zur Förderung des Tiefengrundwassers entscheiden werden. Als Instanz zur Steuerung und Regulierung der Entnahmemengen hat hier die regionale Wasserbehörde das letzte Wort. Sie sorgt für die Einhaltung einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Grundwassers im Sinne der gesetzlichen Grundlagen (WRRL & WHG). Zu den Herausforderungen gehört dabei, für die Interessen aller einzutreten, ökologisch vertretbare Fördermengen zu ermitteln und im Fall der Überschreitung zu intervenieren. Insbesondere die Überbewirtschaftung des Grundwassers gilt es zu verhindern, um Wasserstress sowie die Begünstigung von Verunreinigungen des (Tiefen-)Grundwassers zu vermeiden. Zwar hat sich gezeigt, dass Deutschland ein vergleichsweise wasserreiches Land ist, doch allein die Prognose zum steigenden Wasserbedarf der Landwirtschaft im Raum Lüneburg/Uelzen lässt auch hier eine Zunahme von Nutzungskonflikten rund um das Wasser erwarten. Künftig dürften Kontroversen um die Verteilung der hiesigen Grundwasservorräte somit weiter an Konjunktur gewinnen.

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