Kaffeekultur in Lüneburg

Ein Beitrag von Hannah Cuvalo und Margarete Sotier

Besondere Café-Konzepte in der nordischen Hansestadt

Ein ganz normaler Tag in der Lüneburger Innenstadt: Eine bunte Menge aus Touristen, Studenten, Familien und Senioren schlendert durch die kleinen Gassen der schönen Altstadt – die einen in Eile, die anderen gemütlich, mal alleine, mal in netter Gesellschaft. Irgendwann jedoch treibt es die meisten in eines der vielen Cafés oder Restaurants, die überall in der Innenstadt verstreut zum Kaffeetrinken einladen.

Kaffee, das heiße Trendgetränk der Deutschen, hat in den letzten Jahren eine ganz besondere Revolution erlebt und ist nicht mehr aus dem Alltag der Menschen wegzudenken. Ob nach dem Aufstehen, in der Arbeitspause oder zur Kuchenzeit: Überall redet man von Kaffee, ob über Barista-Kunst und Latte-Art, Fair Trade oder Nachhaltigkeit. Überall bekommt man Kaffee, ob in der Tasse oder im praktischen To-Go-Becher, beim Bäcker oder im Restaurant. Und überall sprießen neue Cafés aus dem Boden. So hat sich der Genuss rund um die braune Bohne zu einer richtigen „Kultur“ entwickelt.

Auch in Lüneburg ist der Kaffeekult zu sehen. Trotz ihrer überschaubaren Größe hat die nordische Hansestadt eine bemerkenswert hohe Gastronomie-Dichte und besonders viele Cafés. Da fällt die Auswahl wirklich schwer. Vor allem wenn es darum geht, einen richtig guten Kaffee zu bekommen, denn: Kaffee ist nicht gleich Kaffee und wo die Nachfrage besonders groß ist, da leidet meist auch die Qualität. Massenproduktion, Billigröstungen, Ausbeutung von Kaffeebauern, keine Zeit zum Genießen – das sind nur ein paar Auswirkungen unseres immer hektischeren Alltags und des Massenkonsums.

In den letzten Jahren hat sich in der Hansestadt Lüneburg jedoch ein neues Bewusstsein für das Kaffeetrinken entwickelt. Ein Bewusstsein, das sich in großartigen Café-Konzepten widerspiegelt. Diesen einzigartigen Cafés liegen vor allem die Qualität, das Wissen und eine hohe Wertschätzung für das Produkt, Nachhaltigkeit und der persönliche Kontakt besonders am Herzen. Es geht ihnen darum, in unserem Alltag mehr Bewusstsein für das Lebens- und Genussmittel Kaffee zu schaffen und die hohe Qualität sowie verantwortungsvolle Produktion der Kaffeebohne wieder in den Blick zu nehmen. Deshalb bekommt man dort nicht nur erlesenen und hochwertigen Kaffee in Fair Trade oder Bio-Qualität und regionale Produkte, sondern vor allem auch persönliche Gespräche und Kontakt zu Menschen, denen es wichtig ist, ihre Werte weiterzugeben. Die im Folgenden präsentierten Cafés zeigen eindeutig: Lüneburg hat eine besonders schöne Kaffeekultur, in der Individualität und Genuss im Vordergrund stehen und die die Lüneburger Gastronomieszene bereits jetzt stark prägen.

Kaffeerösterei Ratzsch – Tradition und Qualität mitten in Lüneburg

Betritt man die Kaffeerösterei Ratzsch fühlt man sich ein bisschen wie in alten Zeiten, herausgeholt aus dem hektischen Alltag der Gegenwart: Die goldene Mahlmaschine rattert leise vor sich hin, an den Wänden hängen Bilder aus vergangenen Jahrhunderten, im Hinterzimmer liegen leere Kaffeesäcke auf dem Boden, der Duft von frisch gemahlenen Kaffeebohnen strömt durch die Luft. Das traditionelle Holzmobiliar lädt zum Verweilen und vor allem zum Kaffeetrinken ein.

Die Kaffeerösterei Ratzsch ist der Beginn der Lüneburger Kaffeekultur. Bereits im Jahr 1892 öffnete der Laden, seit 1919 unter dem Namen Ratzsch, in einer ehemaligen Bäckerei seine Türen und schiffte die Kaffeebohnen aus der Hansestadt Bremen, damals der größte Handelshafen für Kaffee, über die Ilmenau nach Lüneburg. Seitdem hat sich die Rösterei zu einem festen Bestandteil der Lüneburger Café-Szene etabliert.

  • Kaffeerösterei Ratzsch © Cuvalo/Sotier

Mit großem Erfolg: bis heute ist die Kaffeerösterei Ratzsch nicht nur die einzige Rösterei in Lüneburg, bei der vom Kaffeebaum über die Röstung bis zum Verkauf alles in eigener Hand liegt. Sie liefert ihre Röstungen außerdem über die Stadtgrenzen hinaus in andere Städte und Länder, dabei steht die Kaffeebohne immer im Mittelpunkt. Denn um die Geschmacksvielfalt der Bohne, die bis zu 1200 ätherische Öle enthalten kann, völlig zu entfalten, erfordert das Zubereiten die größte Sorgfalt und Zeit. Die Philosophie rund um das Kaffeetrinken, die Qualität seiner Röstungen und die Wertschätzung für das Produkt Kaffee liegen dem Besitzer Herrn Pasternak besonders am Herzen. Deshalb bekommt man in der Kaffeerösterei Ratzsch nicht nur qualitativ hochwertigen Kaffee, sondern kann auch an Schulungen teilnehmen.

Das Thema Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle in der Rösterei: Nachhaltigkeit als eine natürliche Konsequenz, wenn der Kaffee als hochwertiges Genussmittel gepflegt und so auch konsumiert wird. Angefangen bei den Kaffeebäumen, setzt sich die Kaffeerösterei Ratzsch für den langfristigen Erhalt alter Pflanzenbestände ein und möchte Überzüchtungen vermeiden. Dabei steht nicht nur im Vordergrund, dass bewährte Sorten überleben, sondern dass nur produziert wird, was schließlich auch verkauft werden kann. Die „natürliche“ Produktion sorgt dafür, dass nicht jederzeit alle Sorten unbegrenzt verfügbar sind. Mit eigenen Kontrollen und einem engen Kontakt zu den Kaffeebauern garantiert die Rösterei faire Arbeitsbedingungen. Neben dem vielfältigen Kaffeeangebot gibt es im Café der Kaffeerösterei Ratzsch auch leckere Schokoladen, Kekse und kleine Törtchen aus einer Hamburger Bio-Konditorei. Ein Besuch lohnt sich, denn hier lässt sich noch echte Kaffeetradition mit allen Sinnen erfahren. Kommen Sie vorbei.

Ladencafé Avenir – Nachhaltigkeit und Kaffeegenuss in studentischer Atmosphäre

Etwas versteckt und abseits in der Katzenstraße, befindet sich das Café Avenir im Heinrich-Böll-Haus, Zentrum für umwelt-, entwicklungs- und sozialpolitische Initiativen. Hier treffen sich Student(inn)en und junge Lüneburger, um an selbstgebauten Tischen und Sitzecken bei atmosphärischer Beleuchtung eine kurze Pause vom Unialltag einzulegen und nachhaltigen Kaffee zu genießen.

Seit März 2013 betreiben die 5 Lüneburger Simon, Lukas, Kristin, Dominik und Max das Avenir mit kleinem Café und Ladenbereich. Entstanden ist das ganze Projekt durch die gemeinsame Liebe zum Kaffee und durch die studentische Initiative „Lünebohne e.V.“. Der Verein hat sich vor etwa 4 Jahren aus einem kulturwissenschaftlichen Seminar an der Leuphana Universität gegründet. Den Vereinsmitgliedern ging und geht es darum, nachhaltigen Kaffeekonsum in Lüneburg zu fördern. Dafür vertreibt die „Lünebohne“ fair gehandelten Kaffee aus Ruanda in einigen Supermarkt-Ketten in Lüneburg und am gesamten Universitätscampus.

  • Ladencafé Avenir © Cuvalo/Sotier

Im Café Avenir kann man die feine Lünebohne oder den Lünepresso natürlich auch genießen. Ob durch die Aeropress-Maschine, den klassischen Filter oder die Espresso-Maschine gesiebt, das Avenir bietet alle erdenklichen Zubereitungsmöglichkeiten an, um die Vielfalt des Kaffeegeschmacks zu erleben. Dabei beraten die 5 StudentInnen gerne und wollen ihr Wissen und ihre Philosophie an die Gäste weitergeben.

Zu dem frischen Kaffee serviert das Avenir leckere, selbstgebackene Kuchen und frisch gebackenes Brot mit regionalen Aufstrichen. Oder soll es doch lieber eine prickelnde Limo oder ein kühles, handgebrautes Bier sein? Das Angebot im Café Avenir ist vielfältig und für jeden ist etwas dabei. Natürlich alles in ökologischer und nachhaltiger Qualität. Mit dem Verkauf werden sogar teilweise gemeinnützige Projekte unterstützt. In der lockeren Atmosphäre kommt man im Avenir schnell ins Gespräch mit anderen, kann sich austauschen und Kaffee genießen oder abends bei einem gemütlichen Konzert die Seele baumeln lassen. Neben dem Vertrieb wollen die jungen Erwachsenen in Workshops, Schulungen und Vorträgen über fairen und nachhaltigen Konsum aufklären. Avenir, übersetzt auch „Zukunft“, liegt den 5 Cafébetreibern besonders am Herzen: eine zukunftsfähige Konsum-Kultur in Lüneburg schaffen, in der es den Menschen und der Natur auch in Zukunft weiterhin gut geht. Das Café Avenir ist eine Bereicherung für die Lüneburger Innenstadt – überzeugen Sie sich selbst.

Bell & Beans – Kaffeegenuss mit Großstadtflair

Um nach einer ausgiebigen Shoppingtour eine kleine Verschnaufpause zu machen lohnt sich ein Abstecher in die versteckte Glockenstraße. In einem alten Fachwerkhaus, in dem bereits seit 1462 diverse Gastronomie betrieben wird, liegt das im September 2014 von Isabelle Kleinohl neueröffnete und gemütliche Café Bell & Beans. Die junge Frau und gelernte Barista bringt mit ihrem Café-Konzept frischen Wind in die nordische Hansestadt Lüneburg.

  • Bell and Beans © Cuvalo/Sotier

Nicht nur die Einrichtung versprüht im Gebäude neuen Charme, auch vor allem die liebevoll zubereiteten Kaffeespezialitäten laden zum Genießen ein. Immer mit einem Lächeln auf den Lippen bereitet Isabelle jeden Kaffee mit schönen Verzierungen zu, die sogenannte Latte Art beherrscht sie perfekt. Durch die tollen Muster im Milchschaum kommt der nussige Geschmack der italienischen Röstung besonders intensiv zur Geltung; das Auge genießt bekanntlich immer mit. Wer den Kaffee noch etwas ausgefallener mag, probiert die Münchener Röstung aus dem Hause „Machhörndl“.

Neben den Kaffeespezialitäten gibt es im Bell & Beans auch leckere selbstgebackene Kuchen und andere hausgemachte Spezialitäten, vorwiegend in Bioqualität. Eine hohe Qualität, Wohlfühlen und Genießen spielen für die Besitzerin eine große Rolle – das spürt man in der gesamten Atmosphäre des Cafés. Hier trifft sich Jung und Alt zum Plaudern, Kaffeetrinken und Verweilen. Als Kleinigkeit zum Naschen ist die Dattel-Zimt-Schnecke ein Muss!

Das Café Zeitgeist – Eine Familieninsel zum Entspannen

Jeden Morgen steht Herr Klamp vor seiner Kaffeemaschine, schaut aus dem großen Fenster auf die Heiligengeiststraße um nach dem Wetter zu schauen und dreht konzentriert an den Dampfschrauben seiner Maschine. Die Kaffeebohnen verändern ihren Geschmack je nach Wetterlage und erfordern deshalb immer wieder andere Einstellungen von Wasserdampf und Druck, um ihre Kaffeearomen vollstens entfalten zu können.

Eine solche Sorgfalt und Wertschätzung der Kaffeebohne erfährt man bei einem Besuch im Café Zeitgeist. Einen Ort zu schaffen, an dem man aus dem stressigen Alltag in ein gemütliches Ambiente eintauchen kann; dass war der Traum des Ehepaars Klamp, den Besitzern des Café Zeitgeist. Beide waren jahrelang in der freien Wirtschaft tätig, hatten kaum Freizeit und wünschten sich im Laufe der Jahre mehr Ruhe und Zeit. Wie es der Zufall wollte, ergab sich die Möglichkeit, ein Café im Ladenbereich des schönen und historischen Fachwerkhäusschen an der historischen Heiligengeiststraße zu eröffnen. In mühsamer und liebevoller Arbeit öffneten die Beiden im Frühjahr 2014 ihre Türen.

Betritt man die hellen, freundlichen Räume, die in frischen Türkis- und Weißtönen gestaltet sind, fühlt man sich sofort wohl und wird zum Entspannen und Entschleunigen eingeladen. Auffällig ist die große Uhr ohne Zeiger, die im Café an der Wand hängt – die Gäste sollen hier die Zeit und den hektischen Alltag vergessen und zur Ruhe kommen. Auch für die Kinder gibt es eine Spielecke zum Austoben, damit die Eltern ihren Kaffee genüsslich trinken können.

  • Café Zeitgeist © Cuvalo/Sotier

Der Kaffee ist die große Leidenschaft von Herrn Klamp. Das merkt man nicht nur bei der Einstellung der Kaffeemaschine. Nach zahlreichen Kaffeeschulungen und Reisen hat sich das Ehepaar durch viele Röstungen probiert und ihre Lieblingsrösterei in Hamburg gefunden. Die Bohnen von Mr. Hoban’s werden nun im Café Zeitgeist vertrieben.

Neben leckeren Kaffeegetränken bekommt man im Café Zeitgeist auch Kuchen, Frühstück und Quarkspeisen mit verschiedenen Früchten, eine besondere Spezialität des Cafés. Hohen Wert legen die Klamps dabei vor allem auf Qualität, Regionalität und Saisonalität der Produkte – so beziehen sie die Milch von einem benachbarten Bauernhof. Im freundlichen und familiären Ambiente tickt die Uhr langsamer.

Mondbasis – Kunst, Kultur und Ideen beim Kaffeeplausch

Ein paar Schritte abseits der belebten Innenstadt, hinter der hübschen Stint-Brücke, liegt die Mondbasis. Das einzige unrenovierte Haus in der Lünertorstraße, lenkt allein schon durch seine Fassade den Blick auf sich – die großen Glasfenster geben den Blick in einen großen einladenden Raum frei, der je nach Tageszeit unterschiedlich beleuchtet ist.

Seit März 2013 betreiben die zwei Gründer Alex und Sandra die Mondbasis, eine Mischung aus Café, Galerie, Bar und partizipativer Plattform. Hier kann man nicht nur seinen Kaffee trinken, sondern auch Bilder bewundern oder abends zu Clubsounds tanzen.

Der helle, schön beleuchtete Raum ist bewusst schlicht möbliert, denn der Wunsch der beiden Inhaber ist es, einen Ort zu schaffen, in dem es zum Austausch kommen und Kreativität entstehen kann. Hier dürfen und sollen Konzepte entwickelt, Ausstellungen konzipiert und Lesungen gestaltet werden – um gemeinsam eine lebenswertere Zukunft und Gemeinschaft zu gestalten. In Zusammenarbeit mit Studenten und anderen Kulturinitiativen entwickeln die beiden Betreiber immer wieder wechselnde Veranstaltungsprogramme.

Natürlich kommt der Genuss von Kaffee und anderen Leckereien dabei nicht zu kurz: So sollen auch der Kaffee und die Zeremonie des Kaffeetrinkens als Medium für den Kommunikationsprozess dienen. Und da sich die Mondbasis als partizipatorische Plattform versteht, nimmt sie in Bezug auf den Kaffee bewusst neue Impulse auf. Vorschläge und Empfehlungen für neue Produkte im Sortiment sind immer willkommen. Beim Kaffee, aber auch bei allen anderen Köstlichkeiten wird darauf geachtet, dass sie aus biologischem Anbau und fairem Handel stammen und weitestgehend regional sind. Auch Teetrinker kommen in der Mondbasis bei einer großen Auswahl hochwertiger Teesorten auf ihre Genüsse.

Dieses wohl ausgefallenste Konzept bereichert Lüneburg ungemein: Unbedingt vorbeischauen, sich von der aktuellen Kunst inspirieren lassen, einen leckeren Kaffee genießen und selbst kreativ werden.

Anmerkung der Redaktion: Die Mondbasis hat im Jahr 2017 geschlossen. Stattdessen befindet sich in diesen Räumlichkeiten nun das blaenk – Bar, Café, Events.

 

 

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