Die Lüneburger Sagen-Tour

Ein Beitrag von Nadine Bokop und Deborah Seidler

Bürgerstolz bricht Fürstenwillkür

Sagenhaftes ereignete sich in der Nacht zum 21. Oktober 1371 in der Salzstadt. In dieser Nacht kämpften die tapferen Lüneburger Bürger gegen die welfische Herrschaft über das Herzogtum Lüneburg. Folgen Sie uns auf einen historischen Spaziergang zu den Schauplätzen der St. Ursula Nacht 1371 und erleben Sie die Geschichte der Stadt Lüneburg und des kühnen Bäckergesellen, der zum Stadthelden wurde.

Die Sage

Im Jahre 1371 versammelte Magnus II. von Braunschweig eine Streitmacht von siebenhundert Mann vor der Lüneburger Stadtmauer um sich die Herrschaft über das Fürstentum blutig zu erkämpfen. In der Nacht kletterten die Soldaten über die Mauer. Sie blieben zunächst unbemerkt, doch der Klang ihrer Waffen weckte schon bald die Bürger der Stadt Lüneburg. Die wehrfähigen Männer Lüneburgs versammelten sich auf dem Marktplatz und kämpften mutig Seite an Seite.

  • St. Ursula Nacht © Bokop/Seidler
    St. Ursula Nacht © Bokop/Seidler

In der Schlacht verloren viele Bürger ihr Leben. Als dann auch der Bürgermeister im Kampfe sein Leben ließ, bat der Stadthauptmann Ulrich von Weißenburg mit dem Ertönen seiner Trompete die Braunschweiger um eine Unterredung. Er gab den Kampf um die Stadt auf und gewährte den Braunschweigern Zutritt zum Rathaus. Wohlbedacht verschaffte er den Bürgern Lüneburgs durch diese Unterredung Zeit zur weiteren Bewaffnung. Die Braunschweiger wurden zuweilen mit Wein im Ratskeller beschwichtigt. Als die Lüneburger für eine Fortsetzung der Schlacht gerüstet waren, führte sie Ulrich von Weißenburg zu den Feinden und kündigte an, dass die Stadt bis auf den letzten Blutstropfen verteidigt würde. Schon kurz darauf musste er dafür sein Leben lassen, doch die Lüneburger kämpften tapfer weiter.

Überrascht von der Kampfeskraft der Lüneburger und beeinträchtigt durch den Weingenuss, wurden die Braunschweiger in die Große Bäckerstraße getrieben. Dort stand ihnen ein kühner Bäcker gegenüber. Mutig stellte er sich den Soldaten entgegen, nur mit seiner Brotschaufel bewaffnet. Geschickt parierte er die Angriffe seiner Gegner, kämpfte tapfer und brachte Dutzende der Braunschweiger Soldaten um ihr Leben, bevor er selbst zu Tode kam. Mit dieser mutigen Tat wurde der Bäcker zum Helden der St. Ursula-Nacht und die Bürger Lüneburgs feierten seinen Mut.

Für die Soldaten von Magnus II.  blieb nur der Versuch zur Flucht. Fast keinen von ihnen jedoch verschonten die Lüneburger. Die Nacht zum 21. Oktober 1371 ging als St. Ursulanacht in die Geschichte ein. Noch heute sind Erinnerungen an die Schlacht in Lüneburg zu finden.

Das Schicksalsjahr 1371

Die St. Ursula Nacht des Jahres 1371 ging, als mutiger Kampf der Lüneburger Bürger gegen die Willkür der Fürsten, in die Geschichte ein. Wie es zu diesem folgenschweren Konflikt kam, lässt sich durch eine kurze Rückschau der Ahnenfolge im damaligen Fürstentum Lüneburg erklären.

Herzog Wilhelm II. vom Adelsgeschlecht der Welfen regierte bis 1369 das Fürstentum Lüneburg. Dieses ging 1267 aus der Teilung des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg hervor. Mit dem Tod des Herzogs im Jahr 1369 entbrannte der Streit um die Herrschaftsnachfolge – der Lüneburger Erbfolgekrieg.

Wilhelm II. hinterließ zwei Töchter und hatte somit keinen direkten männlichen Nachfolger. Albrecht von Sachsen-Wittenberg, der Sohn der älteren Tochter Elisabeth und Herzog Otto von Sachsen-Wittenberg, hätten die Regentschaft übernehmen können. Die Herrschaft der Welfen über ihr Lüneburgisches Stammland wäre damit jedoch erloschen – was Herzog Wilhelm II. zu missfallen schien. Er verfolgte unter Missachtung der direkten Erbfolge eine andere Lösung. Sein Ziel war die Wiedervereinigung des geteilten Herzogtums. Er vermählte im Jahr 1355 seine jüngere Tochter Mechthild mit ihrem braunschweigischen Vetter Ludwig und benannte diesen zu seinem Nachfolger.

Kurfürst Rudolf von Sachsen-Wittenberg beanspruchte währenddessen für seinen Enkel Albrecht und bis zu dessen Volljährigkeit für seine Söhne Rudolf und Wenzel die Herrschaft im Fürstentum Lüneburg. Kaiser Karl IV. stimmte dem Kurfürsten zu.

1367 starb Herzog Ludwig kinderlos und Wilhelm II. ernannte dessen Bruder, den Braunschweiger Herzog Magnus II. Torquatus zu seinem Nachfolger und Mitregenten, ohne das kaiserliche Gebot zu beachten.

Mit dem Tod Wilhelm II. am 23. November 1369 übernahm Magnus II. die Herrschaft des Fürstentums Lüneburg und beseitigte damit die Teilung des welfischen Landes von 1267. Die Lüneburger standen jedoch auf der Seite der askanischen Herzöge von Wittenberg, Albrecht und seines Onkels Wenzel. Sie eroberten mit askanischer Hilfe am 1. Februar 1371 die herzogliche Kalkbergburg. Der welfische Herzog Magnus wurde gezwungen, seine Residenz nach Celle zu verlegen. Albrecht und Wenzel von Sachsen-Wittenberg wurden von den Bürgern Lüneburgs anerkannt und gehuldigt.

Magnus II. jedoch gab keine Ruhe und stellte von Celle aus eine 700 Mann starke Truppe zusammen und brach mit dieser auf, um Lüneburg einzunehmen. Damit fand der langjährige Lüneburger Erbfolgekrieg in der St. Ursula-Nacht vom 20. auf den 21. Oktober 1371 seinen spektakulären Höhepunkt.

Auch wenn sich die Lüneburger in dieser Nacht Magnus II. und seiner Armee tapfer zur Wehr setzen konnten, waren sie auch in den nächsten Jahren nicht sicher. Sie blieben bei der Abwehr der Angriffe des verhassten Welfenfürsten auf sich allein gestellt. Der neue Landesherr Herzog Albrecht konnte die erforderlichen Truppen und Geldmittel zum Schutz des Fürstentums nicht aufbringen.

Die Sagen – Tour

Ein Spaziergang durch Lüneburgs sagenhafte Geschichte

Sagentour, Open Street Map
Sagentour, Open Street Map

Start- und Endpunkt: Am Sande, Lüneburg
Strecke: etwa 3 km
Dauer: ca. 1 h

A) Startpunkt: Platz Am Sande

1) Gedenkstein vor der Heiligengeist Grundschule

2) Links einbiegen in „Hinter der Sülzmauer“

3) Der Tod des ersten Sülfmeisters

4) Tod des zweiten Sülfmeisters

5) Standort des Viscule-Kreuzsteins

6) Link abbiegen in „Egersdorfstraße“

7) Rechts abbiegen in „Hinter der Barodwicker Mauer“

8) Überreste der Stadtmauer

9) Standort des ersten Teils des
Viscule-Kreuzsteins

10) Marktplatz und Rauthaus – die Geschichte wendet sich

11) Der mutige Bäcker

12) Rückweg über „Am Sande“

B)  Endpunkt: Standort des zweiten Teils des Viscule Kreuzsteins

Am Sande, auf dem ältesten Platz Lüneburgs, beginnt unsere Entdeckungsreise der Lüneburger St. Ursulanacht. Auf dem etwa einstündigen Spaziergang lassen wir uns zurückversetzen in die Nacht zum 21. Oktober 1371, in der die Lüneburger Bürger ihre Freiheit gegen die herzogliche Streitmacht von Magnus II. verteidigten. Wo heute wunderschöne Giebelhäuser den Platz schmücken, war im Mittelalter noch ein sandiger Warenumschlagsplatz. Nicht weit von hier  errungen zu später Nacht die Bürger und Söldner der Stadt den Sieg gegen die Braunschweiger.

  • Platz am Sande © Bokop/Seidler
    Platz am Sande © Bokop/Seidler

Folgen Sie uns und der Geschichte auf dem Weg dorthin!

Halten Sie sich westlich und gehen Sie die Heiligengeiststraße entlang. Sie war eine der ältesten  Verbindungswege zwischen dem Platz Am Sande und der ehemaligen Lüneburger Saline. Das große Initial auf der Tafel vereinigt die drei Buchstaben M, P und F. Sie beziehen sich auf drei Siedlungsgebiete, die die Grundlage für die weitere Entwicklung der Stadt Lüneburg bildeten. Das M (lat. Mons = Berg) steht für die ehemalige Burganlage auf dem Kalkberg und die nahe gelegene Siedlung am Fuße des Berges. Die Siedlung nahe der Brücke der Ilmenau findet sich im Buchstaben P (lat. Pons =  Brücke) wieder. Das F (lat. Fons = Quelle) ist eine Anspielung auf die Siedlung an der Saline und deren Salzquelle, das damals wichtigste Warengut Lüneburgs.

Folgen Sie der Straße und überqueren Sie die Salzbrückerstraße. Biegen Sie nach etwa 100 Metern rechts (nördlich) in die Straße Hinter der Sülzmauer ein.

Zum Schutz der Stadt war Lüneburg im Mittelalter von einer Stadtmauer umschlossen. Die Mauern waren jedoch bis ins 15. Jahrhundert sehr niedrig und konnten von Angreifern erklommen werden. In der St. Ursulanacht bezwang Magnus II. mit seinen rund 700 Rittern und Gefolgsleuten die westlichen Mauern der Stadt und durchschritt die nahe gelegenen Straßen Hinter der Sülzmauer und Am Sülzwall.
Unser Spaziergang wird uns später noch zu Überresten der Mauer im Norden der Stadt führen.

Biegen Sie rechts (nordöstlich) in die Sülzwallstraße ein.

Nachdem Magnus und seine Gefolgsleute die Mauern erklommen hatten, drangen Sie mit ihren Schwertern durch die Sülzwallstraße in die Stadt vor. Die Lüneburger kämpften tapfer gegen die Überraschungsangreifer, doch schon bald fielen die ersten Opfer. Unter ihnen befand sich der Sülfmeister und Ratsherr Nikolaus Garlop.

Nur wenig später verlor auch ein zweiter Sülfmeister sein Leben: Gebhard von der Mölen. Er starb in der Straße In  der Techt, durch die die Braunschweiger weiter in die Stadt vorzudringen versuchten. Zu Ehren beider Sülfmeister wurden Gedenksteine errichtet, dessen Aufenthaltsorte heute unbekannt sind.

Biegen Sie rechts (östlich) ab. Wandern Sie vorbei an der schönen Michaeliskirche und halten Sie sich links. Biegen Sie rechts (nordöstlich) ab in die Straße Auf dem Meere. An der Kreuzung zu Untere Olingerstraße starb eine weitere geschichtsträchtige Persönlichkeit im Kampf um die Freiheit: der Bürgermeister Hinrik Viscule. Zu seinem Gedenken wurde ein Kreuzstein von einer Höhe von 3 Metern an der Stelle seines Todes platziert. Dieser befand sich an der Südwand des Hauses  Auf dem Meere 36. Heute ist das Denkmal in zwei Teile geteilt. Unser weiterer Weg wird uns dorthin führen.

  • In der Techt: Hier verlor Gebhard v. d. Mölen sein Leben © Bokop/Seidler
    In der Techt: Hier verlor Gebhard v. d. Mölen sein Leben © Bokop/Seidler

Die Braunschweiger Angreifer schlugen sich ihren Weg durch die Stadt in Richtung des Rathauses. Bevor wir erleben, wie  die Geschichte am Marktplatz eine unerwartete Wendung nimmt, machen wir eine kleine Exkursion zu den Überresten der Stadtmauer und dem ersten Teil des Gedenksteins von Hinrik Viscule. Biegen Sie dafür vor der Kindertagesstätte Marienplatz links (nordwestlich) in die Egersdorffstraße ein und folgen Sie ihr bis zur Straße Hinter der Bardowicker Mauer. Biegen Sie in die Straße ein. Die Mauer befindet sich nun links von Ihnen.

Die letzten Überreste der Stadtmauer sind ein Teil der damaligen Bardowicker Mauer. Sie sicherte die Stadt im Norden. Dieser Teil der Mauer war wie im Westen erst sehr niedrig. Nach wiederholten Bedrohungen wurde sie Mitte des 15. Jahrhunderts rund um Lüneburg ausgebaut und vor Feinden  gesichert – zu spät jedoch, um den Überraschungs-angriff der Braunschweiger in der St. Ursulanacht 1371 zu verhindern.

Biegen Sie am Ende der Straße rechts (südlich) in die Bardowicker Straße ein und folgen Sie dieser bis in die Lüner Straße. Sie können sich an der Kirchturmspitze der St. Nicolai Kirche orientieren.

Die St. Nicolai Kirche ist die jüngste der drei gotischen Kirchen Lüneburgs. Sie beherbergt den unteren Teil des Denk-mals des verstorbenen Bürgermeisters Hinrik Viscule. Er  befindet sich rechts vom Eingang im südlichen Seitenschiff in  etwa 2,20 Metern Höhe.

Öffnungszeiten: Jan – Mär: 10.00 – 16.00 Uhr; Apr – Dez: 10.00 – 18.00 Uhr
Eintritt: Es wird um eine Spende von 1 € gebeten.

  • St. Nikolai Kirche © Bokop/Seidler
    St. Nikolai Kirche © Bokop/Seidler

Verlassen Sie die Kirche und kehren Sie zurück zur Bardowicker Straße. Folgen Sie der Straße bis zum großen Marktplatz.

Die Ritter und Gefolgsleute sowie Magnus selbst sind auf dem großen Marktplatz vor dem Rathaus eingetroffen. Sie wurden unter dem Lüneburger Stadthauptmann Ulrich von Weißenburg mit Wein beschwichtigt und zu einer Unterredung gebeten. Die herzogliche Streitmacht feierte bereits ihren Sieg, während sich die Bürger der Stadt aufrüsteten und für den Gegenschlag bereit machten.

Heute ist an diesem Ort nichts mehr von der Spannung der Nacht zu spüren. Das historische Rathaus schmückt den zentral gelegenen Marktplatz. Mittwochs und samstags bieten hier Händler in ländlicher Atmosphäre ihre frischen Waren an. Der Markt hat von 7.00 bis 13.00 Uhr geöffnet.

Biegen Sie in die Große Bäckerstraße ein.

Als die Lüneburger endlich kampfbereit waren, drängten sie ihre Feinde in die Große Bäckerstraße. Dort trafen sie auf den sagenumwobenen Bäcker, der im Kampf für die Freiheit Dutzende von ihnen mit seiner Brotschaufel erschlug. Der Bäcker wurde in dieser Nacht zum Helden des Lüneburger Bürgertums. Ein Denkmal erinnert heute noch an seine kühne Tat: Es befindet sich im Giebel des Hauses mit der Nummer 32. Darunter steht in goldener Inschrift: 1371 in St. Ursula Nacht hat der Bäcker 22 Mann erschlagen.

Die Große Bäckerstraße ist heute Lüneburgs Einkaufsstraße. Sie wurde Historikern zufolge nicht nach dem Bäcker benannt, sondern nach der Tatsache, dass sich zu dieser Zeit viele Bäcker in dieser Straße befanden.

Die Kampfeskraft der Lüneburger überraschte die vom Wein beeinträchtigten Braunschweiger Soldaten. Sie entschieden sich für die Flucht, doch die bewaffneten Lüneburger kämpften weiter erbittert gegen sie. Die herzogliche Streitmacht war zur Kapitulation gezwungen, kaum einem von ihnen gelang der Ausweg zurück  über die Stadtmauern.

Folgen Sie der Große Bäckerstraße bis zum Platz Am Sande. Am östlichen Ende befindet sich die St. Johannis-Kirche.

Die St. Johannis-Kirche ist eine der ältesten Kirchen Niedersachsens. Ihre Geschichte lässt sich bis ins Jahr 927 zurückverfolgen. Sie wurde im Stil der Backsteingotik gebaut und ragt mit ihrem Kirchturm in eine Höhe von 108,71 Meter.

In dieser denkwürdigen Kirche befindet sich der obere Teil des Viscule-Kreuzsteines. Das Denkmal ist in der Kapelle von Dassel untergebracht, ein nicht frei zugänglicher Bereich der Kirche. Mit etwas Glück gewährt Ihnen die Pförtnerin einen Blick auf das Denkmal. Es hängt am Ende des Raumes an der rechten Mauer, in einer Höhe von etwa 1,50 Metern.

Öffnungszeiten: saisonbedingt
Eintritt: 1 € Spende

Hier findet unsere Sagen-Tour ihren Abschluss. Wir hoffen, Sie konnten auf dem Spaziergang die Spuren der geschichtsträchtigen St. Ursula-Nacht verfolgen und Lüneburg von seiner sagenumwobenen, historischen – aber auch gegenwärtigen Schönheit kennenlernen. Spazieren Sie doch weiter mit offenen Augen durch die Stadt. Vielleicht gibt es ja noch weitere Geschichten zu erzählen?

 


Stadtführung

Sie sind neugierig geworden und möchten die beschriebenen Orte mit eigenen Augen sehen? Die Gästeführer von Stadtführung Lüneburg begleiten Sie gern auf dieser Tour und zeigen Ihnen dabei noch viele weitere Aspekte unserer schönen Stadt. Das Buchungsformular finden Sie hier.


 

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