Schiffshebewerk Scharnebeck

Ein Beitrag von Lisa Marie Knitter und Luisa Schwebel

Das Nadelöhr des Elbe-Seitenkanals

Wer sich dem Schiffshebewerk Scharnebeck aus der Ferne nähert, sieht schon von weitem die grauen Betontürme und leuchtend-roten Stahltröge der Anlage. Inmitten der Elbmarsch, umgeben von Wald und Wiesen, lassen sich hier Technik und Natur erleben.

Zwei mit Wasser gefüllte Tröge, 100 Meter lang und so schwer wie 6.000 Mittelklassewagen, werden in die Luft gehoben. Ein Spektakel, für das man in keinen Freizeitpark reisen muss, sondern nur ins beschauliche Scharnebeck, nordöstlich von Lüneburg. Hier liegt das drittgrößte Schiffshebewerk der Welt, das jährlich hundertausende Touristen begeistert. Wie in einem gigantischen Fahrstuhl werden Fracht- und Sportschiffe von der flachen Elbmarsch über eine Höhe von 38 Metern auf den Elbe-Seitenkanal gehoben.

  • SHW Luftbild von Süden © Wasser- und Schifffahrtsamt Uelzen
    SHW Luftbild von Süden © Wasser- und Schifffahrtsamt Uelzen

Die Anlage in Scharnebeck ist ein Doppelschiffshebewerk. Beide Tröge arbeiten unabhängig voneinander und werden von einem zentralen Steuerstand aus vollautomatisch gefahren. Um Energie zu sparen, dienen 224 Betonscheiben, die an 480 Stahlseilen hängen, als Gegengewichte. Die Tröge werden durch vier Elektromotoren angetrieben, die die Kraft mit einem Zahnstangenantrieb übertragen. Für die Durchfahrt benötigt ein Schiff ca. 20 Minuten. Der Hebe- und Senkvorgang dauert jedoch nur drei Minuten. Was die Besucher an diesem spannenden Ort fasziniert, ist nicht nur das technische Schauspiel, sondern sind die Superlative des Bauwerkes. Das Schiffshebewerk Scharnebeck wurde von 1969 bis 1975 als das größte der Welt erbaut. Jährlich werden über 21.000 Schiffe flussauf- und -abwärts durch das Hebewerk geleitet. Sie lassen sich rund um die Uhr bei ihrer Durchfahrt beobachten. Auch in der Dämmerung und bei Nacht ist das Schiffshebewerk mit seinem Lichtermeer ein tolles Erlebnis.

Ein Rundgang über das Gelände des Hebewerks lädt zum Erkunden ein. Dazu zählt auch der untere Vorhafen und die hohen Dämme, die den oberen Vorhafen umfassen. Die stählernen Kanalbrücken, die aus den Dämmen hervorragen, stellen die Verbindung zu den Trögen her und überspannen die Adendorfer Straße. Weil das Gelände für Besucher an vielen Stellen zugänglich ist, lässt sich das Schiffshebewerk aus nahezu jedem Winkel entdecken. Das geht besonders gut von einer der beiden Besucherplattformen, die ganzjährig und kostenfrei geöffnet sind. So kann man von der Plattform unmittelbar unter den Kanalbrücken die mächtigen Trogwannen bestaunen oder vom Oberwasser aus die Ein- und Ausfahrt der Schiffe auf Augenhöhe verfolgen.

Für den Ausflug nach Scharnebeck und einen erlebnisreichen Tag werden den Besuchern viele Möglichkeiten geboten. Die Ausstellungshalle neben dem Hebewerk ist vom 01. April bis zum 15. Oktober für Besucher geöffnet. Neben Exponaten der Schiffstechnik, wie beispielsweise Ankern oder Rudern, kann man sich hier auch ein bewegliches Modell des Schiffshebewerkes ansehen. So werden Details sichtbar, die mit dem bloßen Auge am Original kaum wahrgenommen werden können. Wer sich die Technik und Geschichte des Hebewerkes lieber von einem Profi erklären lassen möchte, kann zudem an einer der informativen Führungen teilnehmen. Das Highlight ist jedoch eine Schifffahrt durch das Hebewerk, um den Hebe- und Senkvorgang hautnah mitzuerleben.

Das Hebewerk befindet sich am Elbe-Seitenkanal, der die Häfen von Hamburg und Lübeck mit den Binnenwasserstraßen sowie Elbe und Mittellandkanal miteinander verbindet. Da die Strecke wegen verschiedener Wasserstände fahrtechnisch kompliziert ist, ermöglicht der Kanal den ganzjährig kontinuierlichen Schiffsverkehr überhaupt erst. Um eine Verbindung zwischen Elbe und Mittellandkanal zu schaffen, entstand in acht Jahren Bauzeit der Elbe-Seitenkanal. Er verbindet die Elbe bei Artlenburg im nördlichen Niedersachsen mit dem Mittellandkanal bei Edesbüttel westlich von Wolfsburg. Die Wasserstraße wurde am 15. Juni 1976 in Betrieb genommen. Die Baukosten des gesamten Kanals betrugen 1,7 Milliarden DM, davon kostete allein der Bau des Schiffshebewerkes 152 Millionen DM.

Auf den insgesamt 115,2 Kilometern wird ein Höhenunterschied von 61 Metern überwunden. Davon überbrückt die Schleuse in Uelzen 23 Meter und das Schiffshebewerk Scharnebeck die restlichen 38 Meter. Aufgrund der großen Höhenunterschiede in der Geländemorphologie wäre der Elbe-Seitenkanal ohne zügige Hebe-/Absenkbauwerke für die Schiffe nur großen Verzögerungen zu befahren. Nördlich des Hebewerkes befindet sich das Elbe-Urstromtal, das eiszeitlich geprägt ist und ungefähr 300 km zwischen Genthin (Sachsen-Anhalt) und Cuxhaven (Niedersachsen) umfasst. Das Elbe-Urstromtal entstand nach der Weichseleiszeit, vor ungefähr 22.000 bis 18.000 Jahren, als die Gletscher zu schmelzen begannen. Als Folge dessen nahm das Elbe-Urstromtal die Schmelzwässer aus drei Urstromtälern (Glogau-Baruther Urstromtal, Warschau-Berliner Urstromtal und Thorn-Eberswalder Urstromtal) auf und führte es in die Nordsee. Während viele Urstromtäler heute versandet oder auch ausgetrocknet sind, wird das Elbe-Urstromtal immer noch von einem großen Fluss durchflossen. Dabei ist es auf seiner gesamten Breite einheitlich flach, d. h. auch jenseits der Elbdeiche erstreckt sich die Niederungslandschaft über mehrere Kilometer ins Landesinnere. Nur wenn der (heutige) Elbverlauf nahe an der angrenzenden, eiszeitlich geprägten Moränenlandschaft liegt, wird es sogleich steil und hügelig. Nördlich des Schiffshebewerkes ist das zwischen Geesthacht und Lauenburg der Fall, während sich von dort bis Scharnebeck und Adendorf die flache Elbmarsch erstreckt. Im unmittelbar südlichen Anschluss des Hebewerkes trifft man aber wieder auf  die sehr hügelige, saalezeitliche Altmoränengeest, die den ersten großen Höhenunterschied der Kanalabschnitte von 38 m bedingt. Dank des Hebewerkes können Schiffe diese große Fallhöhe problemlos überwinden.

  • Schiffshebewerk Scharnebeck im Bau (1972) © Wasser- und Schifffahrtsamt Uelzen
    Schiffshebewerk Scharnebeck im Bau (1972) © Wasser- und Schifffahrtsamt Uelzen

Eine Alternative wäre eine klassische und an vielen Stellen üblichere Schleuse. Doch aufgrund des in den 1970-er Jahren erwarteten und auch eingetretenen hohen Verkehrsaufkommens auf dem Elbe-Seitenkanal war hier das Hebewerk die deutlich bessere Lösung, da so schneller eine größere Höhe überwunden werden kann. Wenn Sie vor Ort sind, achten Sie einmal auf die Dauer des Hebe-/Senkvorganges. Nach Einfahrt und Schließen der Tore – was sich nicht vom Schleusungsvorgang unterscheidet – dauert die eigentliche „Fahrt“ nur 2-3 Minuten. Neben den positiven, stauvermeidenden Auswirkungen auf den Binnenschiffsverkehr, ist die Samtgemeinde Scharnebeck seitdem um eine imposante Sehenswürdigkeit reicher.

Allgemeine Informationen und Wissenwertes

Ab der Saison 2015 ist das Informationszentrum neben dem Schiffshebewerk vom 01. April bis zum 15. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Bei großen Besuchergruppen (ab 50 Personen) empfiehlt es sich, Personenzahl, Besuchstag und -zeit rechtzeitig dem Wasser- und Schifffahrtsamt Uelzen mitzuteilen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf der Besichtigung zu gewährleisten. Um das Freizeitangebot in vollem Umfang zu nutzen, sollten Besucher  etwa ein bis zwei Stunden einplanen.

  • Ausstellungshalle © Peter Pez
    Ausstellungshalle © Peter Pez

Scharnebeck liegt rund sieben Kilometer nordöstlich von Lüneburg. Im Bereich Bardowick und Lüneburg weisen Verkehrsschilder auf Scharnebeck hin. Auf der Ortsumgehung Lüneburg (B4) ist die Abfahrt Ebensberg/Scharnebeck zu nehmen. Im näheren Umkreis wird durch weiße Hinweisschilder auf das Schiffshebewerk und den Großparkplatz verwiesen. Vom Parkplatz aus führt ein ausgeschilderter Fußweg direkt zum Schiffshebewerk. Mit dem Bus nimmt man ab dem Lüneburger Bahnhof/ZOB die Linie 5110 oder 5901 und fährt bis zum Schulzentrum Scharnebeck. Von dort sind es noch 350 m zu Fuß in westliche Richtung über die Adendorfer Straße.

Auch mit dem Fahrrad lohnt der Ausflug. Der direkteste Weg führt über den Radweg entlang der Kreisstraße 53 entlang der Lüneburger Ortsteile Moorfeld und Ebensberg sowie dem zu Adendorf gehörenden Erbstorf zum Schiffshebewerk (ab Bahnhof Lüneburg 8,6 km). „Geheimtipp“: Mit viel weniger störendem Autoverkehrslärm erfolgt die Anfahrt vom Lüneburger Hafen am Elbe-Seitenkanal im Industriegebiet Ost aus, weil man dann auf dem gut planierten Kiesweg direkt am Kanal in nördlicher Richtung auf das Schiffshebewerk zufährt. Allein diese allmähliche Annäherung ist schon imposant, bei der man auch an einem Kanalsperrwerk vorbeikommt. Dieses wurde neben zwei anderen errichtet, nachdem 1976 nur einen Monat nach Kanaleröffnung die westliche Kanalwandung brach und sich eine Wasserflut über Erbstorf in Richtung des Elbnebenflusses Ilmenau ergoss – zum Glück durch kaum bebautes Gebiet zwischen Lüneburg und dem Vorort Adendorf, sodass kein Mensch verletzt oder gar getötet wurde. Außerdem erlebt man auf dieser Anfahrt, wie aufwändig es ist, so einen künstlichen Wasserweg quer durch eine hügelige Landschaft zu bauen – mal erfolgt die Führung auf einem Damm durch das Gelände mit prächtigem Ausblick, mal in einem kerbartigen Geländeeinschnitt. Für die Anfahrt zum Lüneburger Hafen ist ein Fahrradnavigationsgerät oder ein Stadtplan nötig, denn dieses Ziel wird üblicherweise nicht von Pedalrittern frequentiert, so dass es keine Routenbeschilderung gibt. Vom Lüneburger Stadtzentrum aus radelt man auf diesem Wege zunächst ca. 5 km nach Osten, dann am Kanal entlang 8 km nach Norden, zusammen also ca. 13 km.

Weiteres Bildmaterial zum Schiffshebewerk finden Sie unter diesem Link.

 


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