KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Ein Beitrag von Nona Koberidze und Lisa Schneider

Seit 1943 gab es einen großen Anstieg der Errichtung von KZ-Außenkommandos im damaligen Deutschen Reich. Es entstanden mehr als 1.000 KZ-Außenlager, in denen Häftlinge für die SS sowie für staatliche und private Betriebe Zwangsarbeit leisten mussten. Alle Konzentrationslager hatten Außenlager. Sie unterstanden der Verwaltung und Verfügungsgewalt des jeweiligen Stammlagers und waren von unterschiedlicher Größe und Dauer. Das Konzentrationslager (KZ) in Hamburg-Neuengamme war ein Lager, in dem die Häftlinge durch unmenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen ums Leben kamen. Zwangsarbeit bedeutete oft den Tod der Häftlinge. Dadurch entstand auch die Bezeichnung „Vernichtung durch Arbeit“.

Kennzeichnend für diesen Begriff gab es drei Methoden:

  • Die seelische Erniedrigung der Inhaftierten durch körperliche Gewalt und Schikane
  • Das Vorbehalten hinreichender Ernährung, Kleidung, Unterbringung und Krankenversorgung
  • Die kräftezehrende körperliche Arbeit

Die Häftlinge sollten im Lager nicht ohne Beschäftigung inhaftiert sein. Zu den Häftlingen zählten politische Gegner*innen, Homosexuelle, Jüd*innen, Sinti*zze und Rom*nja, Zeug*innen Jehovas, “Asoziale” oder “Kriminelle”. Diese Unterscheidungen wurden von der SS definierte und mit verschieden farbigen Aufnähern gekennzeichnet. Die Kategorien dienten unter anderem dazu, die stigmatisierten Häftlingsgruppen voneinander abzugrenzen.

Das KZ Neuengamme wurde 1938 zunächst als Außenlager des KZ Sachsenhausen errichtet und ab 1940 als selbstständiges Konzentrationslager mit mindestens 86 Außenlagern geführt. Die Häftlinge mussten Zwangsarbeit für die auf dem Gelände befindliche eigene Ziegelei, in der Rüstungsindustrie und beim Bau militärischer Anlagen leisten. „Insgesamt dürfte die Zahl der Häftlinge – Männer und Frauen –, die in Neuengamme und seinen Außenlagern bis 1945 untergebracht waren, bei etwa 100.000 liegen“. Von den ca. 100.000 bis 1945 dort gefangen gehaltenen Häftlingen aus Deutschland (9 %) und den besetzten Ländern (91 %) starben mindestens 55.000 infolge der unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen.

KZ Gedenkstätte Neuengamme © Open Street Map
KZ Gedenkstätte Neuengamme © Open Street Map

Entstehung und Geschichte des KZ Neuengamme

Die Entstehung der Konzentrationslager beginnt mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933. Nach dem Brand des Reichstagsgebäudes am 27. Februar 1933 wurde mit der Notverordnung zum „Schutz von Volk und Staat“ eine rechtliche Grundlage geschaffen, mit der sich politische Gegner bekämpfen ließen. Diese durften nun festgenommen und „auf unbestimmte Zeit festgehalten werden.“ So entstanden die sogenannten „wilden Lager“. Das erste offizielle Konzentrationslager entstand am 31. März 1933 in Wittmoor. Durch harte Arbeit und Internierung sollten überzeugte Anhänger*innen der Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) von ihren bisherigen Ansichten bekehrt werden. In Dachau bei München baute die SS ein Lager, das als Modell dienen für andere Lager dienen sollte.

Nach und nach wuchs in Vorbereitung des Krieges auf deutscher Seite der Bedarf an Arbeitskräften. In die Lager gesperrt wurden weniger politische Häftlinge, dafür mehr Berufsverbrecher*innen oder als asozial bezeichnete Menschen und Bibelforscher*innen (Zeugen Jehovas), die konsequent den Dienst in der Wehrmacht verweigerten. Jüdische Menschen, Sinti*zze und Rom*nja sowie Homosexuelle wurden aus ideologischen Gründen als verdächtig eingestuft. Die nationalsozialistische Ideologie war maßgeblich von der antisemitischen Vorstellung „einer höhergestellten nordisch-germanischen Rasse“ geprägt, deren Aufgabe es sein sollte, alle minderwertigen Gruppen zu bekämpfen. Ein weiteres Merkmal ist der Kampfbegriff, der als „Grundgesetz der Natur“ begriffen wurde und demnach alles Schwache, Kranke, Andere vernichten sollte.

Die Rassentheorie des 19. Jahrhunderts fand durch die Verabschiedung der Nürnberger Gesetze 1935 ihre gesetzmäßige Verankerung und Legitimierung und wurde in den „12 Geboten zur Rassenreinhaltung“ ins Religiöse überhöht. Wegen der zunehmenden industriellen Bedeutung wurden Lager von nun an aufgrund ihrer wirtschaftlichen Standortfaktoren ausgesucht. Die Planung der von Hitler in Auftrag gegebenen Errichtung der sogenannten „Führerstädte“ erforderte die Herstellung von Natursteinen, idealerweise in der Nähe von Steinbrüchen und Tonlagern. Die seit Jahren stillliegende Ziegelei in Neuengamme war von daher passend für ein Lager bei Hamburg. In einem Schreiben des Verwaltungschefs der SS an den damaligen Senator Nieland wurde dem Rohgutvorkommen am Standort eine ausgezeichnete Qualität attestiert, um preiswert Klinkerware zu produzieren.

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Am 13. Dezember 1938 wurden „die ersten 100 Häftlinge aus dem Lager Sachsenhausen nach Neuengamme überstellt.“ Ein Jahr später wurden weitere 400 Häftlinge aus Sachsenhausen dorthin gebracht. Um den Bedarf von jährlich 20 Millionen Ziegelsteinen zu gewährleisten, war ein Ausbau des Klinkerwerks geplant. Dazu wurde ein Vertrag zwischen dem Reichsführer SS, der Deutschen Erd- und Steinwerke GmbH und der Hansestadt Hamburg geschlossen. Er sah unter anderem vor, die Dove-Elbe schiffbar zu machen.

Das Leben im Lager

Im KZ Neuengamme waren etwa 9.200 deutsche Häftlinge (ca. 9 % der Lagerstärke), 20.000 Russ*innen, 17.000 Pol*innen, 12.000 Französinnen und Franzosen, 10.500 Ukrainer*innen inhaftiert. „Die Unterbringung erfolgte in Holzbaracken, die zwischen Frühjahr 1940 und Sommer 1941 errichtet wurden“, von denen vier Baracken später durch Steinhäuser ersetzt wurden. Ab 1942 nahm die Einlieferung neuer Gefangener im Konzentrationslager Neuengamme rasch zu. Die Zahlen lassen sich aus den Häftlingsnummern rekonstruieren, da diese meist nur einmal vergeben wurden.

Die Uniform eines weiblichen Häftlings © Koberidze
Die Uniform eines weiblichen Häftlings © Koberidze

Zahl der eingelieferten Häftlinge:

  • Juli bis Dezember 1942: ca. 6.800
  • Januar bis Juni 1943: ca. 7.800
  • Juli bis Dezember 1943: ca. 3.500
  • Januar bis Juni 1944: ca. 10.000
  • Juli bis Dezember 1944: ca. 33.200
  • Januar bis April 1945: ca. 28.000

Jede der zunächst 16 Baracken war zur Aufnahme von 160 Gefangenen vorgesehen. Durch die zunehmende Zahl der Häftlinge lebten zeitweise 400 Gefangene in einer Baracke, in der sich mitunter drei Häftlinge ein Bett teilen mussten. „Bei der Einlieferung in das Lager erhielten die Häftlinge die weiß-blau gestreifte Lagerkleidung, eine Mütze, ein Paar Socken, ein Hemd, manchmal Unterwäsche, dazu ein Paar Holzschuhe“. Die Wäsche wurde nur in unregelmäßigen Abständen gewaschen und wollte man sie selbst reinigen, so stand dafür nur kaltes Wasser und keine Seife zur Verfügung. Dies und die Überbelegung der Unterkünfte führten mitunter zu einer Läuseplage. Der Versuch sich mit Zeitungspapier unter der Kleidung zu wärmen, war verboten und wurde durch Abtasten unterbunden. Mäntel und Handschuhe gab es erst in den letzten Jahren.

Die Versorgungslage der Inhaftierten veränderte sich im Kriegsverlauf. Unter den harten körperlichen Betätigungen konnte sie zu keinem Zeitpunkt als ausreichend betrachtet werden, auch wenn sie drei Mal täglich erfolgte und am Anfang noch ein wenig Abwechslung und größere Mengen bot.

„Im Dezember 1944 erhielten die Arbeitssklaven der SS pro Tag ca. 350 gr. Brot, je 20 gr. Margarine und Wurst oder Käse, dazu morgens einen halben Liter Kaffee und mittags gut einen Liter einer dünnen Wassersuppe aus Kohl und Rüben ohne Fleisch.“ (Johe 1984:32)

Nur etwa ein Viertel der im „Kommando Klinkerwerk“ eingesetzten Häftlinge war direkt in die Produktion der Klinker involviert, also an den Maschinen und Brennöfen tätig. Die dortige Produktion verlief durch modernste Anlagen weitestgehend automatisch, im Gegensatz zu den Tongruben, in denen die Häftlinge in Handarbeit mit Spaten und Schaufeln den Ton abbauen mussten. Durch die Inbetriebnahme des neuen Werks konnte die Produktion in Neuengamme rasch gesteigert werden.

Die Organisation des Lagers erfolgte weitestgehend durch die Häftlinge selbst, was zu einer starken Hierarchisierung der Häftlinge führte. So gab es eine Häftlingsselbstverwaltung, die durch Funktionshäftlinge erfolgte und die diesen eine besondere Macht in der Durchführung der Maßnahmen zusprach sowie sie gleichzeitig in eine ambivalente Rolle versetzte: Zum einen um zum „Handlanger ihrer Peiniger zu werden“ und zum anderen da sie nur so ihre Mitinsass*innen schützen können. In den Blocks gab es eine klare Aufgabenverteilung. Der „Kaffeeholer“ holte blockweise den Kaffee um 4.30 Uhr in der Früh, der Blockdienst war für die Ausgabe verantwortlich und der*die Tischälteste mit der Vergabe der Lebensmittel bedacht. Jeweils morgens und abends mussten sich die Häftlinge auf dem Appellplatz versammeln, um sich zählen zu lassen. Abends konnte dieser Prozess sehr lange dauern, da die Anzahl der Häftlinge am Abend mit denen vom Morgen übereinstimmen musste, es jedoch nicht alle bis zum Abend geschafft haben.

Der ehemalige Häftling August Bruns beschreibt das Leben im Lager folgendermaßen:

„Was Schikanen anbetraf, so waren die Bewacher einfallsreich. Wenn abends nach Feierabend ein oder gar mehrere Häftlinge öffentlich gehängt werden sollten, dann erfuhren wir das mittags, wenn das Essen zum Arbeitsplatz gebracht wurde. Es gab zwei Galgen im Lager, und die Essenträger sahen ja, ob einer oder beide Galgen auf dem Appellplatz aufgestellt waren. Bei diesen Exekutionen mußte das ganze Lager antreten und zusehen.“ (Johe 1984:74)

Im KZ gab es die Differenzierung der Gefangenbehandlung entsprechend der Arbeitsleistungen und dem Nutzen für die Produktion. Die SS führte im Frühjahr 1943 ein System ein, das die Häftlinge durch Gewährung und Entzug von Vergünstigungen zu höheren Arbeitsleistungen motivieren sollte. Die „Prämienvorschrift“, die ab 15. Mai 1943 gültig wurde, sah vor, dass Häftlinge, die sich durch Fleiß und besondere Arbeitsleistung auszeichneten, Vergünstigungen durch 1. Hafterleichterungen, 2. Verpflegungszulagen, 3. Geldprämien, 4. Tabakwarenbezug oder 5. Bordellbesuche erhalten konnten.

„Härteste Arbeit, mangelhafte Verpflegung, unzureichende Unterbringung, schlechte hygienische Verhältnisse – dies alles untergrub die psychische und körperliche Widerstandskraft der Häftlinge immer mehr. […] Am Ende der nationalsozialistischen Herrschaft waren in Neuengamme und seinen Außenlagern etwa 50.000 Menschen durch die unmenschlichen Bedingungen getötet worden, als Sklaven der SS und der Industrie, in erster Linie aber als Opfer eines menschenverachtenden Herrschaftssystems und einer mit ideologischen Argumenten gerechtfertigten Eroberungspolitik, die von weiten Teilen des deutschen Volkes unterstützt und gebilligt wurde.“

Die Tagebücher von Häftlingen © Koberidze
Die Tagebücher von Häftlingen © Koberidze

Die Räumung des Lagers und die Nachkriegszeit

Mit dem Näherrücken der Kriegsfronten wurden zunächst einzelne, dann mehr und mehr Außenlager des KZ Neuengamme aufgelöst. Am 19. April 1945 verließen die ersten Häftlingstransporte das Lager und elf Tage später die letzten, „nachdem sie ‘für Ordnung gesorgt’ und alle Spuren des SS-Verbrechens beseitigt hatten“. Diese Tatsache führt fälschlicherweise oft zu dem Schluss, dass die Taten der SS in Neuengamme weniger schlimm waren als in anderen Konzentrationslagern. Nach dem Ende des Krieges 1945 diente das KZ-Neuengamme zunächst als Unterkunft für Kriegsgefangene und ausländische Zwangsarbeiter*innen, die nach Deutschland deportiert wurden und auf ihre Rückkehr in die Heimatländer warteten. Die britische Militärregierung benutzt das KZ dann als Internierungslager für SS-Angehörige und NSDAP-Funktionsträger*innen.

Mit der Übernahme des Geländes durch die Stadt Hamburg 1948 und der Errichtung eines Gefängnisses begann ein Streit, der noch viele Jahre andauern sollte. Die Gefängnisbehörde verweigerte den Zugang zum Gelände grundsätzlich, was bereits 1948 seitens ehemaliger Häftlinge kritisiert wurde und 1958 zu der Gründung der „Amicale Internationale de Neuengamme“ (AIN) führte. Im Zuge der Umnutzung als Gefängnis wurden die Baracken und andere Gebäude abgerissen sowie Wachtürme, Zäune und das Krematorium entfernt. Als Gefängnis diente anfänglich das Klinkerwerk, dann das ehemalige Häftlingslager und später wurde ein neuer Zelltrakt errichtet, der 1970 durch eine neue Jugendstrafanstalt ergänzt wurde.

Vonseiten der Stadt gab es lange keine Bestrebungen eine Gedenkstätte zu errichten, dieser Prozess wurde nach und nach und nur durch die Hartnäckigkeit der AIN vollzogen. Erst durch die Gründung der AIN gab es Verhandlungen mit der Stadt, die zunächst aber nur zu der Platzierung eines Steins an der Gedenksäule mit dem Hinweis auf das KZ-Neuengamme führte. Erst 1965 folgte die Errichtung eines größeren Mahnmals auf dem Gärtnereigelände und über 10 Jahre später kam es 1978 zu der, seit den 60er Jahren von der AIN geforderten, Errichtung des Dokumentenhauses. Dieses wurde im Oktober 1981 eingeweiht. 1984 wurden weitere Pläne zur Errichtung neuer Gefängnisbauten verworfen und die Gebäude, die nicht genutzt wurden, unter Denkmalschutz gestellt.

Im Jahr 1989 wurde die Strafanstalt von dem ehemaligen KZ in Neuengamme wegverlegt und erst 2003 erfolgte dann der Abriss des Gefängnisses und die Eröffnung der heutigen Gedenkstätte.

  • Auf dem ehemaligen Lagergelände deuten Bahnen aus Trümmerteilen auf die einstigen Baracken hin © Koberidze
    Auf dem ehemaligen Lagergelände deuten Bahnen aus Trümmerteilen auf die einstigen Baracken hin © Koberidze

Die Gedenkstätte und ihre Ausstellungen

Die KZ Gedenkstätte Neuengamme verfügt über fünf Dauerausstellungen, die durch verschiedene Sonderausstellungen und eine jährlich erarbeitete Wanderausstellung ergänzt werden.

  • Die Dauerausstellung befindet sich in einer ehemaligen Unterkunft für Häftlinge © Koberidze
    Die Dauerausstellung befindet sich in einer ehemaligen Unterkunft für Häftlinge © Koberidze

Die Hauptausstellung „Zeitspuren“ befindet sich in einem der damaligen Unterkunftsgebäude für Häftlinge und befasst sich vor allem mit der Geschichte und Entstehung des Konzentrationslagers Neuengamme. Außerdem werden der Alltag und das Leben und Leiden der Häftlinge dargestellt sowie das Bestreben, nach der Befreiung, eine Gedenkstätte zu gründen. Die multiperspektivische Ausrichtung ist eine Besonderheit der Ausstellung und legt den Fokus auf die Widersprüchlichkeit, die der Geschichte inhärent ist.

Die Studienausstellung „Dienststelle KZ Neuengamme: Die Lager-SS“ bezieht sich auf die Täter*innen und bietet Einblicke in Organisation, Biografien oder Prozessunterlagen. Darüber hinaus wird sich der Aufarbeitung und dem Umgang mit den NS-Verbrechen und Verbrecher*innen in den Nachkriegsjahren gewidmet. Die Ausstellung befindet sich in der ehemaligen Garage für die Fahrzeuge der SS.

Die Ausstellung im Klinkerwerk „Arbeit und Vernichtung: KZ-Zwangsarbeit in der Ziegelproduktion“ beleuchtet den damaligen Standortfaktor für das KZ in Neuengamme – die stillgelegte Ziegelei. Hier wird über die Entstehung des neuen Klinkerwerks, die Arbeitsbedingungen und die Produktion in der Ziegelherstellung informiert.

In den ehemaligen Werkräumen der Walther-Werke thematisiert die Ausstellung „Mobilisierung für die Kriegswirtschaft: KZ-Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion“ die zweite Produktionslinie auf dem Gelände des Konzentrationslagers. Ab 1942 wurden die Häftlinge auch für die Rüstungsproduktion eingesetzt.

Die Freiluftausstellung „Gefängnisse und Gedenkstätte: Dokumentation eines Widerspruchs“ befindet sich an den Überbleibseln der Gefängnismauer der ehemaligen Justizvollzugsanstalt IX. Sie verweist auf den langen Streit um den Abriss bzw. die Verlagerung der Haftanstalten, die erst 2006 vollständig geschlossen und somit von der Gedenkstätte entfernt wurden.

Das Haus des Gedenkens entstand 1995 im Zuge der Umgestaltung des 1981 errichteten Dokumentenhauses durch den Düsseldorfer Künstler Thomas Schütte. Hier sind auf vier Meter langen weißen Stoffbahnen die Namen der getöteten Häftlinge des KZ Neuengamme verzeichnet. Die 22.460 Namen sind nur ein Teil der Toten und den nur lückenhaft überlieferten Quellen geschuldet. Den Opfern, deren Namen nicht bekannt sind, wird mit unbedruckten Tüchern gedacht. Ein besonders historisches Zeugnis sind die Totenbücher des KZ Neuengamme, die als Faksimiles im Haus des Gedenkens ausgestellt sind.

Neben den Dauerausstellungen in der KZ Gedenkstätte Neuengamme können auch weitere Sonderausstellung besucht werden. Aktuelle Informationen dazu finden Sie hier.

Rundgang durch die KZ Gedenkstätte © KZ Gedenkstätte Neuengamme
Rundgang durch die KZ Gedenkstätte © KZ Gedenkstätte Neuengamme

Weitere Standorte von Gedenkstätten innerhalb Hamburgs

Informationen zur Entstehung und dem Umgang mit der Nazi-Diktatur gibt es nicht nur auf dem Gelände der Gedenkstätte des KZ Neuengamme. In Hamburg gibt es noch weitere Gedenkstätten, die an die KZ-Gedenkstätte Neuengamme angegliedert sind und sich mit der Aufarbeitung beschäftigen.

Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel:
Die Gedenkstätte befindet sich in einem Plattenhaus der einstigen Behelfsheimwohnungen, zu deren Errichtung Frauen aus dem Außenlager Sasel eingesetzt wurden.

Gedenkstätte Konzentrationslager und Strafanstalten Fuhlsbüttel 1933–1945:
Das auch als „Kola-Fu“ bezeichnete Konzentrationslager diente der SS 1944-45 teilweise als Außenlager des KZ Neuengamme. Vorab waren dort hauptsächlich Widerstandskämpfer*innen inhaftiert.

Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm und Rosengarten für die Kinder vom Bullenhuser Damm:
Sie befindet sich in der als KZ-Außenstelle genutzten Schule am Bullenhuser Damm im Stadtteil Rothenburgsort. Dort sollten die Tuberkulose-Versuche von dem SS-Arzt Dr. Kurt Heißmeyer durch den Mord an Versuchspersonen (10 Jungen und 10 Mädchen) und vier weiteren Häftlingen, die die Kinder als Pfleger*innen und Ärzt*innen betreuten, vertuscht werden. An dem Ort wurden darüber hinaus 24 sowjetische Kriegsgefangene ermordet.

Überblick über die Gedenkstätten, Denkmäler und Ausstellungen im Hamburger Umland © OpenStreetMap
Überblick über die Gedenkstätten, Denkmäler und Ausstellungen im Hamburger Umland © Open Street Map

Die Vier- und Marschlande

Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme befindet sich (zynischerweise) in einer besonderen und schönen Gegend, in den Vier- und Marschlanden. Diese sind im Südosten Hamburgs gelegen und stellen eine Flussmarschenlandschaft der Elbniederung dar. Zwischen Geest- und Stromelbe nehmen diese mit etwa 130 km2 fast ein Fünftel der Fläche Hamburgs ein. Dabei handelt es sich um ein sehr heterogenes Gebiet, das „einem steten Strukturwandel unterliegt und entsprechend seiner Ausstattung und Lage vielfältige Nutzungsanforderungen erfüllt“.

Neben der gartenbaulichen und landwirtschaftlichen Nutzung spielt das Gebiet auch hinsichtlich Naherholung und Biotopschutz aufgrund seiner fünf Naturschutzgebiete eine Rolle. Die Kirchwerder Wiesen stellen mit 857 Hektar das größte Naturschutzgebiet Hamburgs dar. Weitere besondere Naturräume sind am Zollenspieker, ebenfalls in Kirchwerder gelegen, am Kiebitzbrack in Neuengamme und in der Reit in Reitbrook zu finden. Zudem befindet sich nördlich der Vier- und Marschlande in Lohbrügge mit der Boberger Niederung die einzige Wanderdüne Hamburgs. Verwaltungsmäßig gehören die Vier- und Marschlande dem Bezirk Bergedorf an und setzen sich aus zwölf der 14 Stadtteile des östlichen Hamburger Bezirks zusammen.

Der Ortsteil Neuengamme wird zusammen mit Altengamme, Curslack und Kirchwerder seit dem 16. Jahrhundert als Vierlande bezeichnet. „Die Marsch wird durch die in westöstlicher Richtung verlaufenden ehemaligen Elbarme Dove- und Gose-Elbe untergliedert“ und hat, wie für Marschlande typisch, eine geringe Reliefierung. Die natürliche Oberfläche des Gebietes ist hauptsächlich „durch Prozesse des ausgehenden Pleistozäns“ und „des frühen bis mittleren Holozäns geschaffen“. Die Oberflächenschicht enthält jung- bis mittelholozänen Marschablagerungen. Diese setzen sich wiederum aus dem Substrat Klei (schluffig-toniges Gezeitensediment), Mudde (fluviatile bis limnische Ablagerungen), Sande sowie Torf zusammen. Das eigentliche Marschensediment besteht dabei aus Klei. Obwohl Böden aus sandigem Lehm bis lehmigem Ton mit Kleischichten das Gebiet dominieren, weisen die Vier- und Marschlande sehr heterogene Bodenverhältnisse auf.

Aufgrund ihrer Lage und der Nähe zu Flüssen – Norder- und Süderelbe, die Dove- und die Gose-Elbe sowie die im Norden fließende Bille treffen dort wieder zusammen – sind die Vier- und Marschlande besonders anfällig für Hochwasser. Deshalb wurde bereits im 12. Jahrhundert mit der Eindeichung begonnen. Dank des immer weiter fortschreitenden Ausbau des Hochwasserschutzes konnte der Blumen-, Obst- und Gemüsebau intensiviert werden. Somit fand ein Wandel von der einstigen „Kornkammer“ Hamburgs hin zum Gartenbaugebiet statt.

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