Ein Beitrag von Anne Hoppe und Stephanie Morawietz
Ein Tagesausflug zum Skulpturenpfad in Bienenbüttel
Etwa eine halbe Stunde südlich von Lüneburg befindet sich eine kleine Gemeinde mit dem außergewöhnlichen Namen Bienenbüttel. Hier gibt es nicht nur wunderschöne Natur, sondern seit 2009 auch bemerkenswerte Kunst zu bestaunen. Manch einer mag diese Art von Werken in Großstädten erwarten, die Künstler*innen des „Kunstraum Ilmenau” aber beweisen, dass es auch andere Ausstellungsräume als noble Galerien und Museen gibt – und geben sollte. Entlang der Ilmenau zwischen blühenden Wiesen und pittoresken Wäldern können zwölf abwechslungsreiche Kunstwerke von Besucher*innen des Skulpturenpfads entdeckt werden. 2005 stellte Benjamin Redeleit, seinerseits lokaler Künstler und Initiator des Projekts, das Konzept für den „Kunstraum Ilmenau” vor. Dieser ist eine Initiative zur „kulturellen und künstlerischen Entwicklung der ländlichen Regionen an der Ilmenau”.
Der Skulpturenpfad markierte den Auftakt einer Reihe geplanter Veranstaltungen im Rahmen dieser Initiative. Das Thema „Leben am Fluss – Bewegung und Ruhe” fand bei der Gemeindeverwaltung direkt großen Anklang. Die bauliche Umsetzung begann jedoch erst 2009, unter dem strengen Auge der Bienenbütteler Naturschutzbehörde. Insgesamt wurden zehn Künstler*innen mit der Gestaltung der Skulpturen beauftragt. Die Kosten von etwa 80.000 Euro wurden dabei zu 65 Prozent aus Fördergeldern des EU-LEADER-Programms beglichen.
LEADER ist die Abkürzung für „Liaison Entre Actions de Développement de l’Économie Rurale“, zu deutsch: Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft. Über die Heideregion Uelzen, in deren Norden die Gemeinde Bienenbüttel liegt, konnten die Gelder beantragt werden. Die restlichen Kosten bewilligte die Gemeinde Bienenbüttel. Eine erste Kalkulation Redeleits hatte zuvor 50.000 Euro veranschlagt. Nach der vierjährigen Planungs- und Bauphase wurde der Skulpturenpfad am 15. Mai 2010 eröffnet. Auch heute, zehn Jahre später, bietet sich der Skulpturenpfad als ein großartiges Ausflugsziel für Jung und Alt an.
Bienenbüttel – ein Ort mit Geschichte
Der Ort ist Verwaltungszentrum und Namensgeber der in vierzehn Ortsteile gegliederten Einheitsgemeinde. Die günstige Lage an der Ilmenau und ihren Zuflüssen zog bereits vor über tausend Jahren Menschen an: Im Raum Bienenbüttel wurden zahlreiche prähistorische Siedlungen und Gräber entdeckt. Auch die Billunger, ein sächsisches Adelsgeschlecht, welche um 1000 n. Chr. in der Biangibudiburg residierten, ließen sich in der Region nieder.
Der Ursprung des Ortsnamens Bienenbüttel ist nicht belegt. Wahrscheinlich entstand er aber aus der sprachlichen Weiterentwicklung des Namens Biangibudiburg. „Bia” ist das althochdeutsche Wort für Biene. Warum aus Burg aber im Laufe der Zeit der Begriff „büttel” geworden ist, ist unklar. Möglicherweise entwickelte es sich aus dem altsächsischen Begriff „bodal”, der mit „Haus und Hof” oder „Siedlung” übersetzt werden kann und wäre damit ein Hinweis auf den Besitz der Billunger. Deren Burg existiert heutzutage nur noch auf dem Wappen der Gemeinde. Allerdings erinnert der Ortsteil Wichmannsburg mit der St. Georgskirche noch heute an das Adelsgeschlecht. Die Waage auf dem Wappen symbolisiert die bis Mitte des 18. Jahrhunderts erhaltene Gerichtsbarkeit der Vogtei Bienenbüttel. Der Fisch hingegen steht für die Ilmenau und die früher vorhandene Furt ins Wendland. Diese seit hunderten von Jahren wirtschaftliche Verbindung der zwei Regionen wurde durch den Skulpturenpfad um eine weitere, kulturelle Verbindung ergänzt. Viele der teilnehmenden Künstler*innen hat Initiator Benjamin Redeleit auf der Kulturellen Landpartie kennen- und schätzen gelernt.
Viele Wege führen nach Bienenbüttel
Der Skulpturenpfad ist von Lüneburg aus sehr gut erreichbar. Es gibt drei Möglichkeiten nach Bienenbüttel zu gelangen. Am schnellsten ist die Anreise mit der Bahn oder dem Auto. Auf der Strecke lässt sich bereits die malerische Landschaft zwischen Lüneburg und Bienenbüttel bewundern. Wer diese aber intensiv erleben möchte und Zeit für einen Tagesausflug hat, kann mit dem Rad entlang der Ilmenau und durch das Naturschutzgebiet Dieksbeck den Ausstellungsort am Fluss erreichen.
Anreise mit dem Auto oder mit der Bahn
Mit dem Auto lässt sich der Pfad in einer halben Stunde über die B4 Richtung Uelzen erreichen. Sowohl der Ort Bienenbüttel als auch der Skulpturenpfad selbst sind gut sichtbar ausgeschildert. Ein Parkplatz befindet sich direkt an der Ilmenauhalle in Bienenbüttel. Von dort aus sind es nur wenige Meter bis zum Startpunkt des Skulpturenpfads.
Eine schnellere und umweltfreundlichere Anfahrt bietet der Metronom der Linie RE3 in Richtung Uelzen/Hannover. In nur 8 Minuten kann Bienenbüttel erreicht werden. Diese Anfahrtsweise lädt zudem zu einem Abstecher nach Uelzen zu ein, wo der Hundertwasserbahnhof bewundert werden kann.
Der Startpunkt des Skulpturenpfads ist etwa einen Kilometer vom Bahnhof entfernt und führt durch den historischen Ortskern Bienenbüttels.
Der Weg ist das Ziel: die Ilmenau mit dem Fahrrad erkunden
Die malerischste Anreise erfolgt über den Ilmenau-Radweg. Dieser erstreckt sich auf einer Länge von 125 Kilometer von Hoopte im Landkreis Harburg entlang der Ilmenau bis nach Bad Bodenteich in der Lüneburger Heide. Der Streckenabschnitt von Lüneburg nach Bienenbüttel ist etwa 17 Kilometer lang und führt auf überwiegend flachen Schotter- und Waldwegen entlang der Ilmenau und durch das Naturschutzgebiet Dieksbeck direkt zum Anfang des Skulpturenpfads. Aufgrund der Beschaffenheit der Wege ist ein geländetüchtiges Fahrrad empfehlenswert.
Von dem historischen Platz Am Sande in der Lüneburger Altstadt gelangt man in wenigen Minuten auf den Radweg Richtung Süden/Deutsch Evern. Vorbei am Roten Feld und am Campus der Leuphana Universität führt der Weg links an die Ilmenau und direkt in die Lüneburger Landwehr. Das Waldgebiet im Süden Lüneburgs war seit dem 14. Jahrhundert Teil eines Systems von Landschafts- und gebauten Elementen, welches durchziehende Händler auf die Zufahrtsstraßen in die mittelalterliche Stadt verwies und so der Umsetzung des Stapelrechts diente. Entlang des Radwegs befinden sich mehrere Informationstafeln, die sowohl über die Geschichte der Landwehr als auch über die Flora und Fauna in dem Gebiet informieren.
Die erste kurze Etappe endet am Forsthaus Rote Schleuse. Erbaut wurde das alte Fachwerkhaus 1764 als Landsitz der Patrizierfamilie von Dassel. Diese stellte später den Lüneburger Justizbürgermeister Johann von Dassel. Seit 2017 ist das historische Gebäude Teil der Hotelkette Dormero und bietet mit regionaler Küche, welche je nach Jahreszeit entweder im Kaminzimmer oder in dem gemütlichen Biergarten genossen werden kann, einen guten Platz für eine kurze Verschnaufpause.
Der nächste Streckenabschnitt führt entlang einer Seitenstraße durch das Villenviertel des Ortes Deutsch Evern. Von dort aus führt der Radweg direkt in das Naturschutzgebiet Dieksbeck. Der Name des 174 Hektar großen Gebiets ist von dem es durchquerenden Dieksbach inspiriert. Die große landschaftliche Vielfalt ist durch Bruchwälder, Talniederungen mit Kiefernforsten und Vermoorungsgebieten geprägt. Diese Wälder zählen zu naturnahen Lebensräumen, in dem besonders zu schützende Tier- und Pflanzenarten leben. Naturräumlich liegt es zwischen der Lüneburger Heide und dem Wendland. Seit 2004 steht das Gebiet unter Naturschutz nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union. Auch auf diesem Streckenabschnitt laden zahlreiche Informationstafeln zu kleinen Umwegen zu Fuß ein, auf denen die Stille und Natur des Waldes besonders genossen werden kann. Auf der gesamten Strecke ist der Fahrradweg mit den gängigen Symbolen ausgeschildert und gut zu finden.
Das letzte Stück führt durch den Ort Hohenbostel. An der Kreuzung in Richtung Bienenbüttel ist bereits der Skulpturenpfad ausgeschildert. Am Kanuanleger, der gleichzeitig auch den Beginn des Skulpturenpfads markiert, befinden sich zwei große Informationstafeln mit einer Übersicht über die Einheitsgemeinde Bienenbüttel und den Pfad. Zudem können an den vorhandenen Anlehnbügeln die Fahrräder angeschlossen werden. Auf der ersten Hälfte des Pfades können Räder bequem mitgenommen werden. Der zweite Abschnitt des Pfades, der durch einen Wald führt, ist für die Fahrradmitnahme allerdings ungeeignet. In eben diesem Abschnitt liegen auch die spannenden Ursprünge des Skulpturenpfads. Um das Zusammenspiel aus Kunst und Natur in vollem Umfang genießen zu können, empfiehlt sich eine Begehung des Pfads zu Fuß.
Von mysteriösen Holzschnitzereien zum naturverbundenen Kunstprojekt: Die Entstehung des Skulpturenpfades
Jenseits einer Brücke in Grünhagen in einem Waldabschnitt in unmittelbarer Nähe der Ilmenau entdeckten Spaziergänger*innen im Jahr 2005 immer häufiger kleine Kunstinstallationen in der Natur. Der Künstler der verschiedenen Werke, Steintürme und Holzschnitzereien von Gesichtern in Baumstämmen, war zunächst unbekannt. Erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannte sich Benjamin Redeleit zu diesen Kunstwerken im Naturraum der Ilmenau. Die große Aufmerksamkeit und der Zuspruch für diese Symbiose von Kunstwerken und Landschaft inspirierte den Initiator Benjamin Redeleit zu der Idee des Skulpturenpfads und der Gründung des „Kunstraums Ilmenau”. Die Philosophie des Kunstraums bezieht sich auf drei zentrale Säulen: die Kunst (Sinne, Material, Handwerk, Skulpturen/Werke), den Fluss (Ilmenau, Bewegung, Landschaft, Raum, Zeit) und den Mensch (Gemeinschaft, Zukunft, Betrachter*in). Seit 2010 lässt sich die Umsetzung dieser Philosophie in zwölf Skulpturen unterschiedlichster Stile wiederentdecken.
Der Skulpturenpfad – Einklang von Kunst und Natur
Das Konzept eines Kunstwanderwegs, also die Installation von speziell für konkrete Orte gefertigten Kunstwerken, soll Kunst- und Naturraum in Einklang bringen. Im Gegensatz zu Skulpturengärten oder -parks wird in der Regel kein Eintritt verlangt und die Pfade sind rund um die Uhr zugänglich. Des Weiteren sind Skulpturenpfade nur in seltenen Fällen an Institutionen angegliedert.
Die ursprünglichen Kunstwerke Redeleits, welche als Inspiration für den Skulpturenpfad dienten, finden sich heute eingebettet zwischen den zwölf ausgeschriebenen Kunstwerken entlang des Skulpturenpfads.
Durch die große Variation der Kunstwerke, Materialien und die verschiedenen Standorte wird den Besucher*innen eine abwechslungsreiche Symbiose aus Natur und Kunst geboten. Die eingeladenen Künstler*innen schaffen mit ihren Werken aus Materialien wie Holz, Stein oder Metall, welche der Witterung vollständig ausgesetzt sind, eben diesen Mehrwert. Auch das Zusammenspiel aus Bewegung und Verharren an den Kunstwerken zeichnet das Kunsterlebnis aus. Entlang des 4,5 Kilometer langen Pfads laden Bänke zum Verweilen und Betrachten der Natur ein. Die Bänke sind jeweils mit genauen Standorten und Notrufnummern markiert. Interessant ist hierbei außerdem, dass die Sitzmöglichkeiten sich nicht in unmittelbarer Nähe zu den installierten Kunstwerken befinden, sondern eher in den Zwischenbereichen. Durch die flexiblen Betrachtungsmöglichkeiten der Skulpturen aus der Bewegung entstehen spannende perspektivische Variationen der Kunstwerke und mit ihrer natürlichen Umgebung.
Das Problem mit dem Vandalismus
Die Tatsache, dass der Skulpturenpfad jederzeit frei zugänglich ist, hat auch eine weniger schöne Kehrseite. Besonders zwei der Kunstwerke wurden bereits mehrfach nachhaltig beschädigt. Die „Äolsharfe”, entworfen von Jutta Kelm, lädt die Besucher*innen zum Verharren ein, und bietet ihnen ein besonderes, vom Wind geschaffenes Klangerlebnis. Für Benutzer*innen der Harfe, deren Saiten durch den Wind in Schwingung versetzt werden und welche über einen Sitz verfügt, soll der Klang nicht nur hörbar sondern auch im Rücken spürbar sein. Die Künstlerin bezeichnet die Harfe als eine Art „Hörinsel”, die zum gelegentlichen Rückzug und zur Besinnung einlädt. Neben dem Fließen der Ilmenau und dem Rascheln der Blätter sollen die Besucher*innen der Livemusik der Harfe lauschen können. Dieses Erlebnis bleibt jedoch nur wenigen Besucher*innen vergönnt. Durch Vandalismus wurden bereits wiederholt die Saiten der Harfe durchtrennt.
Bei der Skulptur „Im Fluss” von Ivo Gohsmann, die eine stilisierte weibliche Figur zeigte, kam es im Juli 2016 sogar zu einer vollständigen Zerstörung und Entwendung des Kunstwerks aus Stein. Neben dem künstlerischen Schaden belief sich der finanzielle Schaden auf 6.000 Euro. Aktuell befindet sich lediglich der Sockel und ein kleiner Überrest der Skulptur in einem Waldstück an der ausgeschriebenen Stelle des Pfads. Nach der Entwendung der Skulptur „Im Fluss” setzte die Stadt eine Belohnung in Höhe von 500 Euro aus, um die Chancen zu erhöhen, die Täter*innen zu finden.
Neben den massiven Zerstörungen der beiden Kunstwerke kommt es zudem häufig zur Verunstaltung verschiedener Kunstwerke durch Graffitis. Um den Skulpturenpfad für alle Besucher*innen erhalten zu können, sind kostspielige Reinigungen und Reparaturen vonnöten. Die Gemeinde Bienenbüttel zeigte in den vergangenen Jahren weiterhin großes Engagement den Skulpturenpfad zu erhalten und regelmäßig instand zu setzen.
Trotz der anhaltenden Problematik entfalten die erhaltenen Skulpturen ihre Wirkung auf die Besucher*innen und laden zu eigenen Interpretationen ein.
Ausgewählte Künstler*innen und ihre Skulpturen
Der Skulpturenpfad ist durch die diversen Stile der unterschiedlich arbeitenden Künstler*innen und ihrer zum Teil unerwarteten Interpretationen des Themas „Leben am Fluss” geprägt. Als besonders beeindruckend bezeichnet Rahel Schröder, eine der eingeladenen Künstler*innen des Projekts, den Austausch mit der Künstler*innen-Gruppe, welche sie „inspirierte und verlockte, bisherige Strukturen und Arbeitsweisen einmal neu und anders zu betrachten”. Sie persönlich habe sich durch diese Zusammenarbeit gestalterisch weiterentwickeln können.
Zu Beginn des Projekts beging die Künstler*innen-Gruppe gemeinsam mit Initiator Benjamin Redeleit den Pfad. Sie spielten mit Assoziationen und Sprache und sammelten Inspiration für ihre Werke. Einige Titel der insgesamt zwölf Skulpturen, wie „Zwiegespräch im Fluss”, „Fluidum”, „Flusswächterin” oder „Im Fluss”, verweisen bereits auf die Standorte entlang des Fließgewässers. Andere Kunstwerke hingegen behandeln das Leitmotiv abstrakter, wie zum Beispiel Jutta Kelms „Äolsharfe” oder „Gate 7: Unexpected Encounter” von Chari-Juliane Tihanyi.
Sechs der zwölf Skulpturen werden im Folgenden kurz vorgestellt. Kommend von Bienenbüttel, weist die Skulptur „Wegweiser 1” von Rahel Schröder den Besucher*innen den Weg und markiert den Startpunkt des Skulpturenpfades.
Rahel Schröder – „Wegweiser 1” und „Wegweiser 2”
Die Holzbildhauerin Rahel Schröder entwarf für den Skulpturenpfad zwei Skulpturen aus Eichenholz: „Wegweiser 1” und „Wegweiser 2”. Die Künstlerin lebt im Landkreis Lüneburg und ging im Anschluss an ihre Gesellinnenausbildung zur Holzbildhauerin auf traditionelle Wanderschaft. Inspiriert wurde die Künstlerin durch die Landschaft der Ilmenau und den jeweiligen Standort der Werke. Bei den Skulpturen handelt es sich um zwei auf Stelen positionierte Figuren. „Wegweiser 1” zeigt einen unbekleideten Mann, der einen roten Wanderstock trägt und seine linke Hand horchend an sein Ohr legt. „Wegweiser 2” markiert die Mitte des Skulpturenpfads und weist den Besucher/innen den weiteren Weg. Die Skulptur zeigt eine Frau, die ein Kleid trägt und die Hände rufend an den Mund legt.
Durch die Darstellung der Kommunikation sollen die Besucher/innen sensibilisiert werden, die Skulpturenausstellung mit allen Sinnen wahrzunehmen, so die Künstlerin. Die „Wegweiser”, welche laut Schröder als „Rahmen und stille Begleiter” dienen, begrüßen und verabschieden die Besucher/innen. „Ihre Gesten spannen einen Bogen über die Ausstellung”, so Schröder. Den Einklang von Kunst und Natur unterstreicht die Bildhauerin durch die Verwendung von Eichenholz. Die großen, alten Eichen im Landkreis Lüneburg seien ein Merkmal der Landschaft und der Ortschaften. Durch die Vergrauung des witterungsbeständigen Holzes fügten sich die Skulpturen immer mehr in die Landschaft ein und würden in gewisser Weise Teil dieser, so Schröder.
Gisela Milse – „Flusswächterin”
Für den Skulpturenpfad entwarf die Bildhauerin Gisela Milse die Kunstwerke „Flusswächterin” sowie die „Hingucker”. Das Wasser diente ihr als „Lehrmeisterin” während des Schaffensprozesses, welcher ein „Hineinhorchen” in den Stein und sich selbst sowie eine direkte Auseinandersetzung mit dem Material erforderte, so Milse. Durch dieses Verfahren transformiert Milse die harte, spröde Struktur des Steins in abwechslungsreiche, beeindruckende Skulpturen.
Die Skulptur „Flusswächterin” zeigt eine „archaische Frauengestalt”. Durch die Öffnung im Bereich des Herzens ist die Ilmenau sichtbar. So könne die Energie des Flusses frei fließen: „Alles fließt, ist in Bewegung, bedingt und beeinflusst sich gegenseitig; nichts geht verloren”. Auch die geglättete Fläche der Skulptur, die an einen Umhang erinnert, spiegelt das Fließen des Flusses wider. Durch den aufrechten Stand und die Augen auf Vorder- und Rückseite der Skulptur scheint es, als überblicke die Skulptur sowohl den Weg als auch die Ilmenau. Ein weiteres spannendes Element sind die Veränderungen der Skulptur durch die natürlichen Verfärbungen des weißen Steins. Das Erscheinungsbild der Skulptur wird so von der Witterung und der Natur beeinflusst und fügt sich auf natürliche Weise in die Umgebung ein.
Annegret Kühne – „MÄANDERN”
Die Designerin und Grafikerin Annegret Kühne legt in ihrer Arbeit den Fokus auf das „lebendige Wechselspiel zwischen Objekt und Raum, Raum und Betrachter, zwischen Betrachter und Objekt”. Dieses Wechselspiel und der Einbezug der Interaktion der Betrachter*innen wird auch in ihrer Arbeit „MÄANDERN” deutlich. Bei dem Werk handelt es sich um eine hochformatige Edelstahlstele, aus der der Begriff „mäandern” in Großbuchstaben ausgestanzt wurde. Das Verb „mäandern” stammt aus der Geografie und bezeichnet hier den Verlauf von Fließgewässern in sogenannten Mäandern, also „bogenförmig geschwungene[n] Krümmungen des Flusslaufes“; sie entstehen in der Regel durch eine „Verlagerung des Stromstrichs, d. h. der Linie mit der höchsten Strömungsgeschwindigkeit” und liegen häufig in Serien hintereinander.
In dem hochglanzpolierten Edelstahl spiegelt sich einerseits die Umgebung der Skulptur in ihrer Oberfläche, andererseits wird das ausgestanzte Wort durch die Sonneneinstrahlung auf den Boden geworfen. Die Betrachter*innen können dieses Wechselspiel zwischen der sich in der Skulptur spiegelnden Natur, ihrem eigenen Spiegelbild sowie dem Schattenwurf der Skulptur in der Natur aus verschiedenen Perspektiven begutachten, was zu einer stetigen Veränderung des Erscheinungsbildes der Skulptur führt.
Katharina Hahn – „Zwiegespräch am Fluss”
Das Werk „Zwiegespräch am Fluss” der Schmiedin Katharina Hahn lädt die Besucher/innen zum Verweilen ein. Unmittelbar am Flussbett installierte die Künstlerin eine Bank, auf der sie einen Mann aus Eisen platzierte. Die Figur sitzt den Betrachter/innen zugewandt, als befinde sie sich in einem Gespräch. Durch das Nachkommen dieser indirekten Aufforderungen der Betrachter/in zur Kontaktaufnahme kommt es zum Zwiegespräch mit der Skulptur. Die Besucher/innen werden so Teil der Installation und treten in einen direkten Austausch mit der Kunst. Die Beschaffenheit zwischenmenschlicher Beziehungen, Kommunikation sowie ihre persönlichen Lebenserfahrungen fließen in die Arbeiten der Schmiedin, die seit 2006 in ihrer eigenen Werkstatt arbeitet, ein und beeinflussen diese. „Gefühltes in Metall ausdrücken, darum geht es mir”, sagt Hahn.
Gisela Milse – „Hingucker”
Die vier „Hingucker” befinden sich am Ende des Pfads in Grünhagen, am gegenüberliegenden Ufer der Ilmenau. Aus dieser Position finde ein gegenseitiges Beobachten der auf oder an der Ilmenau befindlichen Menschen und der „Flussgeister” statt, sagt Milse. Die Künstlerin interpretierte die unterschiedlichen Fließformen, wie Strudel, Plätschern, Strömen und Fließen, in den verschiedenen Skulpturen. Der große Abstand, in dem sich die Skulpturen zu den Besucher*innen befinden, beschert eine Art Panoramabild der Ilmenau und der Landschaft, in deren Zentrum sich die „Hingucker” befinden. Ein schöner Abschluss des Pfades, welcher final noch einmal das Zusammenspiel von Kunst und Natur sowie das Leitmotiv des Pfads „Leben am Fluss – Bewegung und Ruhe” widerspiegelt.
Neben den besprochenen Werken können weitere künstlerische Arbeiten der folgenden Künstler*innen entlang des Skulpturenpfads betrachtet werden: „Ana Anonyma” (Astrid Clasen), „Fluidum” (U.S. Kiefen), „Der Augenblick” (Thomas Glink) und „Gate 7: unexpected encounter” (Chari-Juliane Tihanyi).